Von Chasan Martin Arieh Rudolph
Entscheidungen
4. BM Bemidbar 4:21-7:89
Wenn man Ihnen eine Zeitmaschine schenken würde, womit Sie überall hinreisen könnten, was würden Sie als Vorrat mitnehmen? Man bietet Ihnen dazu als Vorrat mitzunehmen an: 1.) Bargeld, etwas Schickes zum Anziehen und ein Notebook oder 2.) 20 Goldbarren, eine Waffe und etwas zu essen. Was würden Sie nehmen?
Diese Umfrage gab es tatsächlich vor einigen Jahren in einem psychologischen Magazin zu lesen. Und Sie werden es kaum glauben, die meisten der Befragten entschieden sich für die erste Variante.
Weiß ich, ob mein Notebook in der Zukunft noch einen Stromanschluss hat? Im frühen Mittelalter kannte man Elektrizität nicht, wo hätten sie da eine Steckdose gefunden? Heute ändern sich die Anschlüsse so schnell, dass man oft lange Gesichter zieht, weil man für das Notebook von vor 10 Jahren schon jetzt keinen Akku oder Netzteil bekommt. Mode ist vergänglich, unsere Kleidung würde woanders vielleicht nur als Fetzen gesehen. Unsere Euro-Geldscheine würden in der Zukunft vielleicht Heiterkeit auslösen, aber zum Bezahlen wären sie kaum zu gebrauchen, dagegen wären Sie im Mittelalter mit den Goldbarren ein Nabob, also ein reicher und einflussreicher Mann. Und mit einer Waffe könnten Sie ihr Leben und das Ihrer Familie verteidigen. Das Notebook können Sie dagegen vielleicht noch als Wurfgegenstand oder Briefbeschwerer verwenden. Keine rosigen Aussichten!
Warum treffen so viele kluge Menschen eine falsche Entscheidung, wenn sie zwischen flüchtigem Genuss und dauerhaftem Gewinn wählen müssen? Warum setzen sie für wenige Momente außerehelicher Lust ihre Ehe und Familie aufs Spiel? Warum konsumieren so viele Menschen Drogen oder Alkohol, obwohl sie die langfristigen Folgen kennen? Hiervon ist kein mensch gefeit, nicht einmal der Weiseste unter uns. Politiker machen jede Menge Fehler, auch Fehler, die eine ganze Volkswirtschaft in den Ruin führen können. Es mag vielleicht ein kleiner Trost sein, aber die Menschen sind nun einmal fehlerbehaftet. Leider merken die meisten Menschen erst, wenn sie einen Herzinfarkt hatten oder wenn ihr Ehepartner weggelaufen ist, was sie doch für ein gutes Leben hatten! Hinterher ist man immer schlauer.
Unseren Weisen zufolge werden wir oft von einem „törichten Geist“ beherrscht. Er verzerrt unsere Sicht und verhindert klares Denken. Die Weisen lehren überdies, dass ein Jude nur dann Gebote mißachtet, wenn er zulässt, dass dieser Geist ihn überwältigt. RaSchI, der berühmte Kommentator des 11. Jahrhunderts, schreibt, dieser Mensch habe den Pfad des Anstandes zugunsten der Torheit verlassen”. Es gibt also zwei Pfade: einer der Weisheit und einer der Torheit. Weisheit bedeutet Anstand, Zurückhaltung, Hingabe und Überlegung. Torheit ist das Gegenteil. Natürlich sollen wir uns für den richtigen Pfad entscheiden, aber unser törichter Geist zwingt uns, von ihm abzuweichen.
Jedes Mal, wenn wir dagegen eine Mizwa befolgen, knüpfen wir ein Band mit dem G´ttlichen und machen es dem törichten Geist schwer, uns für sich zu vereinnahmen. Wenn wir eine Mizwa befolgen, werden wir eins mit G´tt. Wir ziehen G´ttes Gegenwart in unser Herz, in unseren Geist und in unsere Seele hinein. Dadurch werden wir zu g´ttlichen Wesen.
Aber leider hat auch der törichte Geist einige Verführungen auf Lager. Würden wir es stets schaffen, nur das Gute zu tun, wären wir alle Heilige. Aber dem ist nicht so.
Ein Spontiwitz aus meiner Jugendzeit lautet so: Alles Schöne dieser Welt ist entweder illegal, unmoralisch oder macht dick! Ist das Schöne wirklich „schön“. Ist es gut oder führt es uns eher von G´ttes Mitzwot weg?
Wenn wir auswählen, eine Mitzwa nicht zu erfüllen, weisen wir G´tt zurück und zerstören unsere Einheit mit ihm. Wir ziehen uns vor ihm zurück und errichten eine Barriere zwischen ihm und uns. Auf der einen Seite ist lichtes, helles Licht, Liebe, Heiligkeit und G´ttlichkeit. Auf der anderen herrschen Finsternis, Haß, Mißtrauen, Weltlichkeit, Materialismus, Nihilismus und Egoismus. Die eine Seite ist der Weg der Weisheit und der Inspiration, die andere führt zu Torheit und Völlerei.
Was ist Ihnen lieber? Das Ewige und Tiefe oder das Unbeständige, Zeitweilige? Ein kluger Mensch würde das Erstere wählen; aber wir entscheiden uns so oft für das Letztere. Weil unser törichter Geist uns überwältigt.
Wir denken materialistisch, oft genug sehen wir nicht weiter als bis zu unserem Tellerrand. Wir glauben nur, was wir sehen. Die sofortige Befriedigung unserer materiellen Bedürfnisse stellen wir in den Vordergrund, ja viele sind dafür sogar bereit, über Leichen zu gehen. Das ist unsere Torheit, der Zustand, in den wir hineingeboren werden. Aber wir dürfen dieser Torheit nicht nachgeben. Unser Leib versteht G´tt und das Ewige nicht. Aber unsere Seele versteht. Es ist unsere Pflicht, die Seele, die Weisheit und den ewigen Lohn zu wählen und sie damit zu ernähren. Unsere Seele bleibt G´tt treu, selbst wenn der Geist und das Herz ihn zurückweisen. Sie ist immer da, unerschütterlich und verlässlich. Sie wartet darauf, dass wir sie bemerken und zu G´tt zurückkehren. Dank ihrer Loyalität kann sie uns helfen, unsere Torheit zu besiegen und wieder klar zu denken. Die Seele ist bereit, aber wir lassen sie warten. Sie wartet, bis wir die Freiheit nutzen, die G´tt uns gegeben hat.
Die Freiheit der Wahl. Die Freiheit, G´tt zu wählen. Wozu also noch warten?
Schabbat Schalom
https://www.talmud.de/tlmd/die-torah-eine-deutsche-uebersetzung/die-torah-Nasso/