Liebe Gemeindemitglieder, Familienangehörige und Gäste,
Wir feiern heute den Unabhängigkeitstag von Israel.
Jom Ha-Azmaut ist ein „neuer“ Feiertag, der vor 76 Jahren am 14. Mai 1948, damals der 5. Ijar 5708, geboren wurde. Und dieses Jahr ist es auf den Tag genau im weltlichen Jahr. Dieses Datum fällt immer auf den gleichen Wochentag genau zwei Wochen nach dem 7. Tag Pessach. Am siebten Tag Pessach wird der Torah-Abschnitt von der Spaltung des Schilfmeeres gelesen. Dieses Ereignis versinnbildlicht die vollkommene Loslösung des jüdischen Volkes von der ägyptischen Knechtschaft.
Gleichzeitig bedeutete die Gründung des modernen Staates Israel das Tilgen fremder Herrschaft und die politische Unabhängigkeit der Juden nach 2000 Jahren Exil. Es werden aber auch andere Parallelen erwähnt: So sei sowohl in der biblischen Geschichte als auch im israelischen Unabhängigkeitskrieges von einer Konfrontation mit Ägypten die Rede gewesen, und sowohl damals als auch heute seien die Israeliten der ägyptischen Militärmacht auf dem Papier vollkommen unterlegen gewesen. Zudem sei das jüdische Volk in beiden Fällen von allen Seiten umzingelt worden, zwischen feindlicher Armee und dem Meer. Schließlich hätte Israel in der biblischen Zeit wie auch vor 1948 die kriegerische Auseinandersetzung gegen den Widersacher vor allem dank der wundersamen Rettung durch G´tt gewonnen.
In beiden Fällen ist von der physischen und politischen Befreiung aus den Klauen einer Unterdrückungsmacht die Rede, und sowohl die jüdischen Sklaven, die durch das gespaltene Schilfmeer liefen, als auch die Schoah-Überlebenden, die in Schiffen auf dem Mittelmeer Richtung Haifa fuhren, hatten eine Vision vor Augen: Die Einwanderung in ein Land, das wir zurecht als unsere Heimstatt nennen dürfen und in dem wir als Juden unter Juden leben dürfen. Israel bleibt auch für uns, die wir nicht oder noch nicht in Israel leben, immer ein Rückzugsort, wenn es in diesem Land für Juden wieder einmal ungemütlich werden sollte. Bzw. ungemütlicher als heute.
Es waren die Gründungsväter des modernen Staates Israel wie Chajim Weizmann und Ben Gurion, die fest am Heimatland Israel im Lande der Väter festhielten und denen ein anderes Land keine Alternative gewesen wäre. Und noch für jeden Ministerpräsidenten gilt bis heute: “Ejn brera” – Es gibt keine Alternative zu unserer Heimat Israel!
Aber Pessach, für sich alleine gesehen, hat keine langfristige Bedeutung, sie markiert eigentlich nur den Auszug der Israeliten vor der Tyrannei des Pharao. Das jüdische Volk hätte wohl nicht lange Bestand gehabt, wenn nicht auf die physische die geistige Befreiung gefolgt wäre. Die geistige Befreiung von 430 Jahre Götzendienst in einem fremden Land hatte das jüdische Volk geprägt. Die physische Sklaverei zu überwinden, war das eine. Die Befreiung der geistigen Sklaverei, also den Götzendienst aus dem Herzen zu entfernen, erfolgt an Schawuot mit dem Empfang der Torah am Sinai. So wird die physische Erlösung von der Knechtschaft Ägyptens nicht zufällig durch das Omerzählen mit Schawuot und dem Empfangen des g´ttlichen Gesetzes verbunden. Es wird bewusst eine Brücke von der physisch-nationalen zur geistigen Erlösung geschlagen. In gleicher Weise soll auch der moderne Staates Israel, die jüdische Nation, dessen politische Unabhängigkeit wir heute feiern, mit ethischen jüdischen Werten gefüllt werden.
Seit 1948 hat sich Israel zu einem modernen und dynamischen Land entwickelt – einem Spitzenreiter in Landwirtschaft, Wissenschaft, Hochtechnologie und Medizin, einem Land, welches Juden aus der ganzen Welt und allen Kulturen willkommen heißt und in sich aufnimmt. Der moderne Staat Israel hat eine stolze Geschichte – von König David bis zur heroischen Haltung der Makkabäer. Der moderne Staat Israel dient als sicherer Hafen für Juden aus der ganzen Welt und hat viele Kulturen in sich aufgenommen – Holocaust-Überlebende aus Europa, Marokkaner, Jemeniten, Russen, Äthiopier, Juden jeder Hautfarbe, die 110 verschiedene Sprachen sprechen. Juden, wo immer sie sein mögen, gehören zueinander – als Brüder und Schwestern mit der Sicherheit, eine Möglichkeit der Rückkehr zu haben, selbst wenn wir an unterschiedlichen Orten leben.
Israel hat es geschafft, sich trotz Gegner an den Grenzen dieses Landes, aber noch mehr gegen Feinde auf der ganzen Welt zu behaupten. Das gilt umso mehr nach der Zeit des 7. Oktober 2023, als Hamasterroristen und weitere Aggressoren aus der sogenannten palästinensischen Zivilgesellschaft sich aufmachten, um ein blutiges Pogrom in Israel zu veranstalten mit über 1400 Ermordeten, Alte, Frauen, Männer, Kinder, Babys, die bei lebendigem Leib verbrannt wurden und noch heute über 130 Geiseln, die in den Gaza-Streifen verschleppt und noch nicht wieder freigelassen wurden. In den Kriegen Israels starben insgesamt viel mehr Menschen, doch in keinem wurden so viele Zivilisten an einem einzigen Tag ermordet wie am 7. Oktober 2023.
Aber nicht nur die Hamasterroristen und ihren Helfershelfer und Sympathisanten sind Feinde des israelischen Volkes, sondern auch jene in der UN, UNRWA, aber auch in Europa, die es sich bis heute auf die Fahnen geschrieben haben „die Juden ins Meer zu treiben“, wie noch Gamal Abdel Nasser, Ministerpräsident von Ägypten in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, fantasierte. Bis heute wurde dieser Satz nicht aus der sogenannten „Palästinensischen Nationalcharta“ gestrichen. Und sei es nicht physisch, versucht man Israel zu marginalisieren, klein zu reden oder im Gegenteil, Israel als den großen Satan zu denunzieren, den man vernichten müsse, wie dies jahraus, jahrein vom Iran, der am 13. April, also vor einem Monat, Israel angriff, beschworen wird.
Letztlich die gleichen Parolen werden auch heute von arroganten Politikern verbreitet, gerade auch in Deutschland, wenn die fatale Parole ausgegeben wird, „beide Parteien müssen Zurückhaltung üben, die Sicherheit der Zivilbevölkerung gewährleisten und dringend auf friedliche Lösungen hinarbeiten.” Gleichzeitig wird Israel als Apartheidstaat verleumdet, wie vom südafrikanischen Generalsekretärs des Weltkirchenrats (ÖRK), Jerry Pillai mitgeteilt.
Umgekehrt wird ein Schuh draus. Kein Jude darf in den Palästinensergebieten wohnen. Das ist arabische Apartheid! Sogar Ägypten, mit dem Israel einen Friedensvertrag hat, schließt sich den Hetzerei an.
Wer Kinder und Großeltern entführt und diese dann im Internet vorführt und demütigt, wer Familien kaltblütig in ihren Wohnungen erschießt, wer verängstigte junge Frauen schändet, von einem Musikfestival verschleppt und nackte Leichen durch die Stadt schleift, der ist kein “Widerstandskämpfer”, wie das sogar in den öffentlich-rechtlichen Medien immer wieder zu lesen ist. So jemand ist ein Terrorist und ein Verbrecher. Und dieser Terror darf sich niemals wiederholen können. Es braucht eine entschlossene und nachhaltige Reaktion, die den Terrorgruppen für lange Zeit die Mittel nimmt, derartige Massaker und Verbrechen zu verüben.
Nach einem Verbrechen das Opfer dazu aufzurufen, zu “deeskalieren”, ist nichts anderes als zynisch und menschenverachtend. Auch aus deutschen Muslimverbänden kamen solche unangebrachten Beschwichtigungen.
Im Zuge des neu erstarkenden Antisemitismus, wir hören das aus den ganzen Demos für eine „Befreiung Palästinas“, auch hier in Bamberg, wird die einzige Demokratie im Nahen Osten verächtlich gemacht und dämonisiert, auch und gerade in den, überwiegend links geprägten, geisteswissenschaftlichen Universitäten im Land, nicht nur in den USA, wie wir kürzlich erfuhren, sondern gerade auch in Deutschland, bei denen jüdischen Studenten der Weg zur Universität durch sogenannte „Aktivisten“ versperrt wurden, ein arabischer Student, der einen jüdischen Studenten in der Universität Berlin im Februar dieses Jahres zusammenschlug, weil er Juden haßt und den der Präsident nur für 3 Monate vom Unibetrieb ausschloß.
Zum Fremdschämen waren die ganzen judenfeindlichen Angriffe auf die ESC-Sängerin Eden Golan beim ESC Contest in Malmö/Schweden vom 7. – 11. Mai 2024. Von Hass zerfressene Menschen buhten, pfiffen und schrien. Sie waren zu keiner Empathie fähig. Sie empfanden nur Verachtung für den Schmerz von Millionen Menschen, der in diesem Lied zum Ausdruck kommt. Sie verloren jede Menschlichkeit.
Es war erschütternd, was in den drei Minuten des israelischen Lieds für den Eurovision Song Contest in der Malmö Arena passierte. Während Eden Golan das Lied sang, waren immer noch über hundert Juden in Geiselhaft im Gazastreifen. Sie sind es immer noch. Niemand weiß, ob sie noch leben. Niemand weiß, ob sie in dem Augenblick, da Eden in Malmö sang, gefoltert, geschändet und vergewaltigt werden.
Ausgerechnet Malmö, aus dem viele Juden die Stadt aufgrund des offenen Hasses durch Muslime schließlich verließen, um Alija zu machen. Seit dem Pogrom am 7. Oktober 2023 eskalierte die Situation in Malmö noch mehr. Hamas-Sympathisanten fuhren nach dem Massenmord an Juden mit Autos durch Malmö und schwenkten palästinensische Fahnen, während sie Slogans riefen wie „Intifada“ und „Zionismus vernichten“. Vor der Synagoge in Malmö wurde die israelische Flagge verbrannt. In der Stadt mehrten sich judenfeindliche Graffitis. Lehrer berichteten von Hitlergrüßen im Klassenzimmer.
Bei einer Pressekonferenz wurde Frau Golan doch tatsächlich gefragt, ob ihr nicht in den Sinn gekommen sei, dass sie durch ihre Präsenz alle anderen Sängerinnen und Sänger gefährden würde. Soweit sind wir schon. Der jüdischen Sängerin wird ihre pure Existenz also als Gefahr vorgeworfen.
Aber es geht noch weiter. Vor wenigen Tagen greift in der Universität Hamburg eine Somalierin eine Vertreterin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft an und würgt sie. In Berlin attackieren Unbekannte ein Bürgermeisteramt und beschmieren es mit israelfeindlichen Parolen.
„Es ist frustrierend, immer wieder auf die hohe Zahl antisemitischer Gewalt in Deutschland hinzuweisen, aber es ist notwendig“, wie der Zentralratspräsident Dr. Schuster sagte. Er beklagt die Zunahme derartiger Vorfälle inzwischen „aus allen Richtungen“. Hier muß man ergänzen: besonders aus der islamistischen und der linksextremen Ecke. Aber es muß auch etwas geschehen und darf nicht mit Sozialstunden oder zur Bewährung bestraft werden, sondern es muß abschreckend wirken.
Denn wenn Judenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft, vor allem aber in der islamischen Gemeinschaft, zu einem salonfähigen, unwiderruflichen Normalzustand wird, mit dem sich jüdische Kinder, junge Leute und nicht zuletzt die jüdischen Einwohner Deutschland und Europas in Zukunft lapidar abfinden sollen, dann ist hier, um Shakespeares Hamlet zu zitieren, „etwas faul im Staate Dänemark“.
Von einer falsch verstandenen Toleranzhaltung bis hin zum Zustand, mit dem Rücken zur Wand zu stehen und die gerade auf dem Dachboden gestellten Koffer wieder neu packen zu müssen, muß die Gesellschaft weit entfernt sein, damit der Wunsch, dass jüdisches Leben wieder einen gleichberech-tigten Stand in der Gesellschaft bekommt, nicht zu nichtssagenden Worten werden.
Und selbstverständlich sollte es klar sein, dass wir Juden nicht bereit sind, nach Jahrhunderten oder bald 2000 Jahren immer wieder nur billige Sündenböcke für alle Arten von Unglücken zu sein und ganz besonders wehren wir uns, erneut verfolgt und ermordet zu werden. Nicht nur in Israel, sondern auf der ganzen Welt.
Israel hätte jedes Recht dazu, sich aufgrund solcher schlechter Erfahrungen abzuschotten, aber dennoch baut Israel weiterhin an einem guten nachbarschaftlichen Verhältnis mit den umliegenden Staaten, USA und Europa. Ja noch weiter, denn bei allen Umweltkatastrophen, Erdbeben usw. schickt das kleine Israel stets oft als erstes Land wie zB bei der Erdbebenkatastrophe in Haiti vor 14 Jahren dringend benötigte Hilfe, weil Israel dies als Mitzwa, als religiös gelebte Pflicht, sieht. Auch bei der Erdbebenkatastrophe in der Türkei letztes Jahr leistete Israel sofort unkompliziert Hilfe, obwohl die Türkei für Israel ein schwieriger Partner ist. Während andere noch reden, hat Israel oft schon die ersten Helfer vor Ort.
Doch das 21. Jahrhundert ist weltweit voll von Herausfor-derungen in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und poli-tischer Art und nicht zuletzt g´ttlicher Wunder. Und der Staat Israel ist mitten darin, entstanden aus unserem jüdischen Sehnen nach der kommenden Zeit des Maschiach, für dessen Ankunft wir täglich beten. In der Nationalhymne des Staates Israel, wird diesem Sehnen nach der Zeit des Maschiach Rechnung getragen. Ich darf den deutschen Text hier zitieren:
„Solange tief im Herzen die Seele eines Juden sich sehnt, und gen Osten ein Auge blickt, nach Zion, ist unsere Hoffnung nicht verloren, die Hoffnung von zweitausend Jahren, frei zu sein als Volk in unserem Land, dem Land Zions und Jerusalems.“
Die größte Quelle und Garantie für die Zukunft des Staates Israel und des jüdischen Volkes auf der ganzen Welt sind die Kinder. Dies gilt genauso für Israel wie der Diaspora, in der mehr Juden leben als in Israel selbst. Durch die jüdische- Erziehung zur Liebe zu Zion, unserer zumindest seelischen Heimat, wenn wir schon nicht dort sein können, die Vertiefung der Bindung Israels zur Diaspora und deren Kinder und zu ihren Eltern und allen Gemeindemitgliedern, wird Israel zusammen mit der Diaspora auf die Stärkung jüdischer Identität und Fortdauer für eine gemeinsame Zukunft hinarbeiten, als Volk und als Nation stärker werden und in vollem Maße das Versprechen des Staates Israel als jüdisches und demokratisches Land verwirklichen.
In diesem Sinne wünsche ich Israel, dem jüdischen Volk und unseren Freunden in der Welt ein friedliches und glückliches 76. Geburtstagsjahr, ein herzliches Chag sameach!