Am Donnerstag, 26. Dezember 2024 (26. Kislev 5785) fanden sich Gemeindeangehörige und Freunde der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg im festlich geschmückten Gemeindesaal zusammen, um das Chanukka-Fest zu feiern.
Das Programm schloss Tänze der Tanzgruppe “Freylex”, Gesänge des Chores “Or Chajim”, eine Ansprache des Rabbiners Dr. Almekias-Siegl und das Segnen und Anzünden des Chanukka-Leuchters ein, sowieso natürlich ein reichhaltiges Buffet mit speziell für Chanukka zubereiteten Speisen.
Nach der Begrüßung durch die 2. Vorsitzende, Assja Spivak, Gesängen und Tänzen hielt Rabbiner Dr. Salomon Almekias-Siegl seine Festtagsansprache.
Chanukka hat eine wichtige Bedeutung. Es geht auf Ereignisse im Jahre 164 v.u.Z., d.h. im jüdischen Jahr 3597, vor 2188 Jahren, zurück. Es war die Zeit der Seleukiden und des Hellenismus. Der griechische König Antiochus Epiphanes (175-164 v.u.Z.) forderte in seinem Reich die Übernahme seiner heidnischen Kultur, Religion und Gebräuche. Die Juden sollte ihre Religion vergessen. Natürlich konnten die Juden das nicht mitmachen. Denn welcher Jude kann heidnische Götzen anbeten und seine Religion aufgeben?
Damals war der Makkabäer Matitjahu der jüdische Hohepriester. Er hatte fünf Söhne, mit denen er die Führung des Widerstandes gegen den Hellenismus in die Hand genommen hat. Matitjahu ist im Krieg gefallen. Danach übernahm sein Sohn Jehuda die Führung. Der Krieg hat dann drei Jahre gedauert bevor sie den Tempel erobern konnten. Die Griechen hatten den Tempel nicht zerstört wie Nebukadnezar es am 9. Av 587 v.u.Z. getan hatte, aber sie haben den Tempel entweiht: sie haben Schweine auf dem Altar geopfert und Zeus als Gott in den Tempel gestellt. Sie haben die Menora und andere heilige Gegenstände aus dem Tempel entfernt und entweiht. Nach drei Jahren Krieg aber haben die Makkabäer als Minderheit, gegen die Seleukiden gesiegt.
Das Wort “makkabim” (Makkabäer) bedeutet „Hammer“. “Makevet” heißt auf Hebräisch auch “patish” (“Hammer”) und das symbolisiert die Stärke, mit der die Minderheit gegen die Herrscher gesiegt hat. Außerdem sprechen wir in der Schabbat-Liturgie am Freitagabend das Wort “makkabi” als Akronym in einem Bibelvers aus: “mi kamocha ba’elim HaShem” (“Wer ist wie Du unter den Göttern?”, aus Shemot/Exodus 15,11).
Natürlich wussten die Griechen genau, dass der Tempel das kulturelle Zentrum der Juden ist. Deswegen war es ihnen wichtig, den Tempel zu erobern und ihn zu entweihen. Nach dem Sieg der Makkabäer konnte er aber wieder eingeweiht werden – Dank eines großen Wunders. Um die wunderschöne Menora im Tempel wieder einzuweihen und anzuzünden, musste man Öl finden. Und es wurde wirklich ein kleiner Ölkrug gefunden, der sogar noch den Stempel des Hohepriesters hatte. Obwohl die Menge nur für einen Tag reichte, brannte der Leuchter tagelang. Deshalb zünden wir jeden Tag bis zum achten Tag eine Kerze an. Natürlich ist es besser, wenn man einen Leuchter mit Öl anzünden kann. Aber Öl kostet Geld, und Kerzen sind genauso koscher wenn man kein Öl und keine Leuchter hat, die man mit Öl anzünden kann.
An Chanukka ist das wichtigste Lied “Banu hoschech legarech” (“Wir sind gekommen, um die Fensternis hinauszuwerfen”). “Or” ist das Licht und “hoschech” ist die Finsternis. Vielleicht kann ich diese Frage in der Raum werfen: Wer ist das Licht, und wer symbolisiert die Finsternis? Der Prophet Jesaja sagte: “Or la’gojim”. D.h. wir sind das Licht für die anderen Völker. Die Licht ist also das jüdische Volk, und die Finsternis, das sind die anderen Völker, also damals die Griechen, die Feinde, die die Juden vernichten wollten. Trotz der unheimlich hohen Entwicklung der Griechen damals und ihrer besonderen Kultur, ihren Errungenschaften in Sport, Philosophie, Mathematik, Architektur, Theater und Ästhetik, wollten sie die jüdische Religion nicht tolerieren und bekämpften sie. Die Juden, die aber ihre Religion nicht aufgeben wollten, mussten deshalb einen Krieg führen, um ihre kulturelle und religiöse Selbstbestimmung zu retten.
Daher lädt uns Chanukka ein, dieses Licht zu finden. Das Licht symbolisiert “hatikva” (die Hoffnung), Macht, Kraft, Sieg und vor allem Zusammenhalt sowie die Forderung, nicht aufzugeben. Man kann viel über Chanukka lesen, die Bibliotheken und Bücherregale sind voller Bücher zu dem Thema. Das Chanukka-Fest bezieht sich auf historische Ereignisse, die unumstritten sind; insofern ist Chanukka eine reale Geschichte.
Im Gegensatz dazu sind die Ursprünge des jüdischen Purimfestes umstritten: manche halten die Esther-Erzählung für eine romantische bzw. allegorische Dichtung über eine schöne jüdische Königin und einen dummen babylonischen König. Dies liegt auch an den Namen der Figuren, die in der “Megillat Esther” (Esther-Rolle) erscheinen, die an babylonische Gottheiten erinnern: z.B. erinnert Mordechai an Marduk, den babylonischen Hauptgott, und Esther an Ischtar, die Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit. Religion und Wissenschaft leben immer in einer Spannung zueinander, können sich widersprechen oder auch ergänzen, und auch Theologen haben unterschiedliche Ansichten zu den biblischen Erzählungen. Gläubige gehen natürlich von einer geschichtlichen Grundlage für die Esther-Rolle aus.
Nun zurück zu Chanukka: Wir beginnen immer mit dem neuen Licht. Wenn wir heute, am zweiten Festtag, die Chanukkia, den neunarmiger Chanukka-Leuchter anzünden, dann zünden wir zuerst die zweite und danach die erste Kerze an. Morgen zünden wir zuerst die dritte, dann die zweite, dann die erste Kerze an. Übermorgen beginnen wir mit der vierten Kerze. Warum? Weil wir immer die “mitzwa”, die gute Tat ergänzen und erhöhen wollen, nicht sie verringern. Im ersten Jahrhundert (v.u.Z. und n.u.Z.) lebten zwei große Rabbiner, Schammai und Hillel, die sich immer gezankt und auseinandergesetzt haben. Schammai sagte, dass wir die Kerzen anzünden sollen, die ganze Chanukkia, und jeden Tag eine Kerze herunternehmen sollen. Hillel aber sagte nein, wir machen jeden Tag ein zusätzliches Licht, weil wir die “mitzwa” nicht erniedrigen sondern erhöhen möchten. Hillel hat natürlich diesen Disput gewonnen. Wir nehmen jetzt den “Diener”, den “Schamasch”, und zünden damit die Chanukkia an.
Nach dem Segensspruch zum Entzünden der Chanukkia stellte die Sozialarbeiterin der Gemeinde, Tatjana Monastyrskaja, das von ihr begleitete Chanukka-Malkunstprojekt der Kinder und Jugendlichen der Kultusgemeinde vor. Zur Vorbereitung auf das Fest durften sich diese vom Licht des Chanukka-Leuchters inspirieren lassen, davon Bilder zu malen. Die beeindruckenden Kunstarbeiten wurden in der Galerie der Gemeinde ausgestellt.
Die Gemeinde dankt allen Mitarbeiterinnern und Mitarbeitern und allen Mitgliedern für ein wunderschönes Fest. Möge die Erinnerung an die Erlösung der Juden aus der Verfolgung in der Antike uns die Hoffnung schenken, dass das Licht des Volkes Israel auch heute die Dunkelheit besiegt, das jüdische Leben weltweit bewahrt bleibt und die israelischen und deutschen Geiseln im Gazastreifen dort bald freigelassen bzw. befreit werden.
IKG Bamberg