Eine Bamberger, eine deutsche Geschichte.
Wer Papiertaschentücher meint, sagt hierzulande meist einfach „Tempo“. Vor 92 Jahren, am 29. Januar 1929, haben die Brüder Oskar, Emil und Karl Rosenfelder ihre Erfindung als Warenzeichen beim Reichspatentamt unter der Patentnummer 407752 angemeldet.
Die Söhne des Bamberger Hopfenhändlers Isaak Rosenfelder und seiner Frau Adelheid hatten schon 1902 die „Bamberger Klosetpapierfabrik“ in der Hainstraße 17 gegründet und nach deren Verkauf – sie hatten in Bamberg keine weitere Baugenehmigung erhalten – die „Vereinigten Papierwerke Heroldsberg“, deren Verwaltungssitz sich in Nürnberg befand, wo die Brüder dann auch lebten.
Foto: Hainstrasse 17, Bamberg – die erste Geschäftsstelle „Bamberger Klosetpapierfabrik“. Von Homepage der Familie Brückner mit freundlicher Genehmigung.
Das Einweg-Papiertaschentuch aus Zellstoff, das Oskars Idee war und der Name „Tempo“ entsprachen dem Zeitgeist und wurden ebenso wie die Camelia-Damenbinden – ebenfalls aus dem Hause Rosenfelder – schnell zum Erfolg.
Im Juli 1933 musste Oskar Rosenfelder beim Ortsgruppenleiter der NSdAP, Lorenz Goldfuß, antreten. der behauptete, er hätte Kantinengelder unterschlagen – Goldfuß ließ ihn dazu von zehn bewaffneten SA-Männern bedrohen. Dem so bedrängten Rosenfelder blieb nicht anderes übrig, als die von Goldfuß geforderten 12.000 Reichsmark von der Bank zu holen. dann ließ man ihn gehen.
Kurz darauf begann der Nürnberger Gauleiter Julius Streicher in seinem antisemitischen Hetzblatt „Stürmer” eine Kampagne gegen die „Camelia-Brüder“. Knapp vor der geplanten Verhaftung gelang es den Rosenfelders dank des Winks eines Mitarbeiters im August 1933 nach England zu fliehen.
Foto: Julius Streicher, Nürnberger Gauleiter und Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes “Stürmer”, Holocaust Encyclopedia
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg eröffnete im Folgenden ein Verfahren wegen angeblichen Devisenvergehens, das mit der Beschlagnahmung des Vermögens der Familie Rosenfelder endete; dann befahl Streichers Stellvertreter Karl Holz die „Arisierung“ des Unternehmens.
Die NSdAP schanzte dem Fürther Unternehmer, NSdAP-Stadtrat und Gründer des Versandhauses „Quelle“, Gustav Schickedanz (NSdAP-Mitglied seit 1932), einen Teil des Aktienpaketes weit unter Wert zu. Der bedankte sich bei seiner Partei mit einer Spende von 20.000 Reichsmark.
1935 erwarb Schickedanz noch die restlichen Anteile an dem Unternehmen und sicherte sich die Markenrechte. Nach dem Krieg wurde der ehrenwerte Herr Schickedanz, der noch mindestens zehn weitere jüdische Firmen zu Spottpreisen übernommen hatte (sieben der mehr als neun Millionen Mark seines Vermögens stammten aus jüdischem Besitz), als Mitläufer eingestuft und blieb – wie so viele Täter – nahezu unbehelligt.
Foto: Gustav Schickedanz, Stadtrat 1935, Fürth Wiki
Wenn Sie das nächste Mal ein „Tempo“ benutzen… denken Sie vielleicht einen Moment an die Bamberger Brüder Emil. Oskar und Karl… G’sundheit!