Kerzenzünden: Freitag 12.02.2021, 30. Schewat 5781, um 17:11
Hawdala: Samstag 13.02.2021, 1. Adar 5781, um 18:16
Mischpatim
2. BM Schemot 21:1-24:18
Der Abschnitt „Mischpatim“ (Gesetze) umfasst 53 von den insgesamt 613 Mizwot – Geboten – des Judentums. Das erste handelt von der Freilassung der Sklaven:
Wenn du einen hebräischen Sklaven kaufst, so soll er dir sechs Jahre dienen; im siebenten Jahr aber soll er freigelassen werden ohne Lösegeld.
Ex 21,2
Diese Weisung G-ttes ergeht an die Kinder Israel hier am Sinai nicht zum ersten Mal. Beim Propheten Jeremia lesen wir:
So spricht der HERR, der G-tt Israels: Ich habe einen Bund geschlossen mit euren Vätern, als ich sie aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, führte und sprach: Im siebenten Jahre soll ein jeder seinen Bruder, der ein Hebräer ist und sich ihm verkauft und sechs Jahre gedient hat, freilassen.
Bereits zu der Zeit, an dem die Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei von G-tt geführt werden, setzt er sie über sein Gebot zur Freilassung der Sklaven in Kenntnis.
Warum wurde es nicht – wie die anderen Gebote – erstmalig auf dem Berg Sinai übergeben?
Eine Geschichte über Rabbiner Elijahu Chaim Meisel, der von 1821-1912 im polnischen Lodz lebte, kann uns hier weiterhelfen. Der Rabbiner war wegen seiner Barmherzigkeit sehr bekannt. Er wusste um die große Armut seiner Glaubensgenossen, ja, dass sie nicht einmal ihre Wohnungen im Winter heizen konnten. Er beschloss, zu den Reichen der Stadt zu gehen, um Geld für die Notleidenden zu sammeln.
Zunächst klopfte er an die Tür von Israel Posnanzky, der als ein freigebiger Stifter von sich reden machte. Er war erstaunt, Rabbi Meisel mitten in der Nacht bei großer Kälte vor seiner Tür anzutreffen. Er bat ihn umgehend, in sein beheiztes Haus einzutreten. Doch der Rebbe lehnte ab. Mit Absicht wollte er an der Haustür stehen bleiben.
„Was kann ich für den Rabbiner tun?“, erkundigte sich der Reiche. Meisel diskutierte mit ihm u.a. über die Gemeinde und verlängerte absichtlich seine Konversation draußen bei der Kälte. Nach einigen Minuten sagte Posnansky: „Kommen sie rein, Herr Rabbiner, mir ist sehr kalt!
„Nein, danke!“ antwortete Rabbi Meisel. „Ich muss weiter und bin nur gekommen, um eine Spende für die Armen in der Stadt zu erbitten, damit auch sie ihre Wohnhäuser heizen können!“ Posnanzky freute sich, Meisels Bitte erfüllen zu können und bat ihn nochmals einzutreten, damit er ihm die Spende geben könne. Nachdem der Bittsteller das Geld erhalten hatte, fragte ihn der reiche Mann: „Warum wollten Sie nicht in mein Haus eintreten?“
Der Rabbiner antwortete: „Wenn ich das warme Haus betreten hätte, hätten Sie nicht gemerkt, wie kalt es draußen ist, aber nachdem wir an der Haustür gesprochen haben, haben Sie am eigenen Leib gespürt, wie die Armen in unserer Stadt durch die Kälte leiden.“
Der Zusammenhang dieser Geschichte mit unserem Abschnitt liegt auf der Hand: Wenn jemand sechs Jahre an den Dienst seines Sklaven gewöhnt war, wird es ihm schwerfallen, an dessen Freilassung von sich aus zu denken. Schon gar nicht wird er sich vorstellen können, wie ein Sklave darauf brennt, das Joch seines Herrn loszuwerden.
Wer aber, wie in unserem Fall, zu dem Zeitpunkt die Weisung zur Freilassung der Sklaven empfängt, an dem er selbst noch dessen Los teilt, der wird G-ttes Gebot ganz anders aufnehmen und verinnerlichen, als ein Mensch, der selbst schon zum Herrn eines Sklaven aufgestiegen ist.
Wozu will uns G-tt mit diesem Gebot erziehen?
Jeder Mensch hat gute Momente, in denen er Barmherzigkeit übt, er kennt große Gefühle und den Willen, etwas zum Guten zu ändern. Und so dient G-ttes Weisung unserer Erinnerung: Es ist unsere Pflicht, solche Momente zu bewahren, damit sie nicht verlorengehen. Die Kinder Israel sind in den Genuss der Freiheit gekommen und nun sollen wir sie in unserem Leben bewähren, indem wir uns nach G-ttes Gebot der Sklavenbefreiung ausrichten. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag für „tikkun olam“, die Verbesserung der Welt.
Schabbat Schalom!
https://www.talmud.de/tlmd/die-torah-eine-deutsche-uebersetzung/die-torah-mischpatim/