Grußwort des Gemeindevorsitzenden Martin Arieh Rudolph / Foto © Assja Spivak (IKG Bamberg)
Sehr geehrter Herr Rabbiner Dr. Almekias-Siegl w-kwod ha-rabbanim, auch jene, die bedauerlicherweise nicht teilnehmen können, lieber Herr Schwierz vom Verein Mischkan-ha-Tfila e.V.,
lieber Herr Jo-Achim Hamburger von der IKG Nürnberg sowie Ihr Vizevorstand Alexander Lissak,
lieber Herr Felix Gothard von der IKG Bayreuth, liebe Frau Schormann, 2. Vorsitzende der JKG Erlangen,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Starke, sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
sehr geehrte Frau Tsafrir vom Keren Kayemeth l-Israel/Jüdischer Nationalfonds,
sehr geehrter Herr Dekan Uttenreuther als Vertreter von Weihbischof Gössl,
sehr geehrte, liebe Dr. Miriam Groß, Standortpfarrerin des Bundespolizeiaus-und Fortbildungszentrum Bamberg,
sehr geehrte weitere Kirchenvertreter,
sehr geehrte Vertreter der örtlichen muslimischen Gemeinden,
sehr geehrter Herr Erster Polizeihauptkommissar Gerd Frank,
sehr geehrter Herr Polizeipräsident Mayer von der Stadtpolizei,
sehr geehrter Herr Polizeipräsident Skrypczak von der Bereitschaftspolizei Bamberg,
liebe Vorstandsmitglieder unserer Gemeinde, Gemeindemitglieder und Familienangehörige,
sehr geehrte Vorsitzende und Delegierte der jüdischen Gemeinden,
Sehr geehrter Herr Dr. Spaenle, Bayerischer Antisemitismusbeauftragter und Herr Patrick Nitzsche, kommunaler Antisemitismusbeauftragter,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Jonas Merzbacher aus Gundelsheim,
sehr geehrte Damen und Herren Schulleiter,
sehr geehrte Damen und Herren der Polizei, die heute Objektschutz machen,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
erlauben Sie mir, Ihnen vorweg meine Freude darüber mitzuteilen, dass Sie heute alle aus nah und fern an diesem extrem warmen Tag mit Aussicht auf Starkregen nach Bamberg gekommen sind, um mit uns einen neuen Abschnitt in der Geschichte der Kultusgemeinde Bamberg feierlich zu begehen. Waren es nach dem Krieg und der Schoah die Neugründung der Gemeinde vor nunmehr 72 Jahren mit 150 Überlebenden der Konzentrationslager, dann vor jetzt 18 Jahren durch die glückliche Fügung des Vertrauens in die Gemeinde, die es unserem leider viel zu früh verstorbenen Vorsitzenden Dr. Heinrich Olmer sel. A. ermöglichte, wieder eine neue Heimstätte der Israelitischen Kultusgemeinde zu eröffnen. Vor zehn Jahren erhielten wir vom Verein Chawerim e.V. bereits eine Torahrolle und nunmehr erhält die Israelitische Kultusgemeinde ihre fünfte Torahrolle, die wir gerade eben feierlich in den Aron Ha-Kodesch eingehoben haben.
Diese neue Torahrolle ist Zeichen dafür, dass wir hier in Bamberg ein fester Teil der Gesellschaft sind und damit der Wunsch verbunden ist, die jahrhundertealte Tradition der Gemeinde als eine der ältesten jüdischen Gemeinden Deutschlands fortzuführen.
Als Leitmotto dieser Feier möchte ich einen Spruch Salomos (24,3) voranstellen: “Durch Klugheit wird ein Haus erbaut und durch Einsicht wird es in Stand gehalten – B-chochmah jibaneh bajit u-witwunah jitkonan”.
Die feierliche Einhebung der Torahrolle als Symbol des Hauses der Gemeinde ist Garant dafür, dass durch die Verwendung der Sefer Torah im G´ttesdienst und dem Studium der Torah die Menschen fähig werden, das Haus der Gemeinde weiterhin durch Kultus wie Kultur instand zu erhalten. Möge der Spruch Salomos unsere Leitschnur sein.
Von politischer und gesellschaftlicher Seite darf ich heute zuerst Oberbürgermeisters Andreas Starke und Bürgermeister Wolfgang Metzner begrüßen. Dem Oberbürgermeister habe ich meine Stelle des Grußwortes abgetreten, weil er gleich noch einen wichtigen Termin hat. Danach werden je ein Grußwort sprechen:
Frau Katja Tsafrir vom Keren Kayemeth L-Israel / Jüdischer Nationalfonds, Frau Dr. Miriam Groß, Standortpfarrerin des Bundespolizeiaus- und fortbildungszentrums Bamberg, die ich hier ganz besonders begrüßen möchte und schließlich Dekan Christian Uttenreuther für den verhinderten Weihbischof Gössl.
Ein herzliches Willkommen allen Gästen, auch jenen, die ich heute nicht namentlich genannt haben. Seien Sie versichert, dass wir uns sehr freuen, dass Sie da sind. Meine Begrüßungrede würde sehr in die Länge gezogen, wollte ich jeden von Ihnen namentlich begrüßen.
Gemeinderabbiner Dr. Salomon Almekias-Siegl und Gemeindevorsitzender Martin Arieh Rudolph bei der Einhebung der Torahrolle / Foto © Katja Tsafrir (JNF-KKL)
Mit der Einhebung der neuen Torahrolle zeigen wir nicht nur, das wir ein fester und gleichberechtigter Teil der Bamberger Bevölkerung sind, sondern wir knüpfen damit weiter an den Ritus vor 1943 in Bamberg an, der liberal ausgerichtet war, zu einer Zeit, als liberaler G´ttesdienst in Deutschland kein Novum war, sondern gelebte Realität. Ich denke, diese gelebte Verbindung mit unseren jüdischen Vorfahren würde den vor zehn Jahren verstorbenen Dr. Herbert Loebl, der die Belange der IKG Bamberg für die Zeit vor 1943 vertreten hat, sehr freuen.
Und damit komme ich zum Heute. Seit 1951 gibt es wieder eine jüdische Gemeinde in Bamberg. Angefangen im Dachgeschoß des Hauses, in dem das Tambosi logiert, mit 150 Mitgliedern, die meisten Überlebende der Konzentrationslager waren, war diese kleine Gemeinde zuerst orthodox. Die Mitglieder brachten ihr Judentum aus den Schtetln aus Ostpolen mit und lebten dies nun in Bamberg weiter. Mit dem Umzug in neue Räume des Kontorhauses der ehemaligen Nähseidenfabrik Kupfer, Mohrenwitz und Hesslein 1963, nachdem die Nachkommen der letzten Eigentümerin, Leonie Kupfer, die 1943 nach Theresienstadt deportiert und dort von den Nationalsozialisten ermordet wurde, die Fabrik und das Kontorhaus der noch jungen Gemeinde und Rechtsnachfolgerin der 1943 so schmachvoll zerstörten Gemeinde, gestiftet hatten, konnte jüdisches Leben in bescheidenem Maße wieder aufleben. Noch bis Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts gab es so gut wie keine Kontakte gesellschaftlicher Art mit der Bevölkerung. Das änderte sich erst mit Frau Chriss Fiebig, die unermüdlich versuchte, den Bamberger Bürgern etwas über die unschätzbare jüdische Kultur und Mäzenatentum zu vermitteln, die noch vor wenigen Jahrzehnten so menschenverachtend brutal zerstört wurde. In den 90er Jahren wechselte die Ausrichtung von orthodox auf zunächst konservativ, um dann später wieder der liberalen Richtung wie vor 1943 Platz zu machen. Mit meinem Einstand 1992 als zuerst Freizeitkantor, um dann später 1997 hauptamtlich Kantor zu werden, wechselte die Gemeinde endgültig in die liberale Richtung, ohne freilich die Tradition der Vorkriegsgemeinde und die nach 1951 zu vergessen. Aus diesem Grund nennt sich die Gemeinde seitdem “liberal-traditionell” oder auch traditionell-liberal.
Seit ungefähr 2015 gibt es jedoch noch eine weitere liberale jüdische Gemeinde in Bamberg, der Mischkan ha-Tefila e.V. Diese Gemeinde nennt sich liberal-progressiv, also in der Liberalität fortschreitend, wobei wir den Kern weiterhin aufrechterhalten und uns damit ergänzen können.
Man hat uns damals gefragt, warum es plötzlich zwei Gemeinden geben sollte. Wir fragen zurück: warum denn nicht? Es gibt vier muslimische Gemeinden in Bamberg, es gibt mehrere Kirchengemeinden, es gibt die orthodoxe Kirche und so viele freikirchliche Gemeinden, warum sollte es also nicht zwei jüdische Gemeinden geben? Beide Gemeinden stehen gleichberechtigt in Bamberg, wir haben zwar unterschiedliche Gebetbücher und einen bisschen anderen Nussach, also den Ritus, wie wir die Lieder singen, aber sonst unterscheidet uns kaum etwas.
Es wird in unserer Gesellschaft viel von Pluralismus gesprochen. Das Zusammenleben stärkt die jüdische wie die gesamtgesellschaftliche Vielzahl freier Individuen und eine Vielfalt von gesellschaftlichen Kräften. Die Torahrolle selbst ist dadurch zu einem weiteren Symbol geworden. Wir knüpfen an eine Tradition an, die mit vor der Verfolgung flüchtenden Menschen nach England, in die USA, nach Israel und viele andere Orte getragen, dort weiter entwickelt wurde und nun wieder in unsere Hände gelegt wird.
So freue ich mich, dass Sie alle an diesem denkwürdigen Tag für Bamberg und die Israelitische Kultusgemeinde dabei sind und wünsche uns allen eine würdevolle und fröhliche Feierstunde.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Ich darf nun das Wort an Frau Katja Tsafrir vom KKL/JNF weitergeben.