Der jüdische Friedhof in Bamberg

Tahara-Haus Siechenstrasse 102, Bildquelle: Wikimedia

„DIE SCHWERTER DES FEINDES
HABEN EIN ENDE DIE STÄDTE
HAST DU UMGEKEHRT DER
HERR ABER BLEIBT EWIGLICH
DEN OPFERN DER JAHRE VON
1933-1945 DIE ISRAELITISCHE
KULTUSGEMEINDE BAMBERG“

Inschrift auf der Gedenkstele im Jüdischen Friedhof in Gedenken an die Opfer der Shoah

Geschichtliches

Bereits 1007, im Gründungsjahr des Fürstbistums, wurden in Bamberg Juden erwähnt. Die ersten Berichte über eine jüdische Gemeinde stammen aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Hier ein kurzer historischer Abriss.

Im 15. Jahrhundert u.Z. gab es außerhalb des Sandtores, hinter der Sandstr. 29, einen kleinen jüdischen Friedhof – genauer gesagt bis 1478 die Bamberger Juden aus der Stadt vertrieben wurden. Leider sind keine archäologischen Zeugnisse mehr davon erhalten.

Nach der Wiederansiedlung im 16. Jahrhundert durch den Fürstbischof erlaubte die christliche Obrigkeit aber keinen jüdischen Friedhof in der Nähe der Stadt. Die Toten mußten deshalb in Zeckendorf bei Scheßlitz begraben werden, wo damals mehr Juden lebten als im Stadtgebiet. Im 17. Jahrhundert errichtete die kleine Bamberger Gemeinde mit vier jüdischen Landgemeinden zusammen einen Friedhof in Walsdorf. Die 10 km dorthin waren weit und anstrengend, besonders bei schlechtem Wetter. Der Weg führte über den Kaulberg, der damals schon sehr steil war (heute ja auch) – und mit Pferdekutschen war der Weg gleich noch einmal beschwerlicher. Meistens ging die Trauergemeinde nur bis zum Kaulbergfuß mit, den restlichen, längeren Weg fuhr das Kutschwerk alleine.

Neuzeit

Der heutige israelitische Friedhof in Bamberg wurde nach über 400 Jahren in der Siechenstrasse 102 am 19.10.1851 wieder eröffnet. Maßgeblichen Einfluss hatte das Engagement von Dr. Jakob Dessauer, der ab 1841 Vorsitzender der Gemeinde war. Die Weiherede hielt der damalige Rabbiner Samson Wolf Rosenfeld. Anfangs gab es eine kleine Tahara-Halle im rückwärtigen Bereich des Friedhofes. Deren Grundmauern wurden im Zuge der Friedhofsertüchtigung 2014 im Erdreich entdeckt. Das heutige Tahara-Haus als moderne Trauerhalle im nachklassizistischen Stil wurde ab 1885 erbaut und im Jahr 1890 fertig gestellt.

In der Halle wurde nach dem I. Weltkrieg an der Wand, an der die Kanzel steht, eine große Gedenktafel mit den Namen der Gefallenen angebracht. Zwischen 1914 und 1918 kämpften über 9.700 jüdische Bürger des bayerischen Heeres freiwillig an der Front. Davon fielen ungefähr 800, 76 wurden vermisst und 208 starben an den Kriegsfolgen. Sieben Bamberger Soldaten jüdischen Glaubens wurden mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse ausgezeichnet, zwei weitere waren Träger des Militär-Sanitäts-Ordens. Nur wenige der im Ersten Weltkrieg Gefallenen sind hier in Bamberg begraben.

Gedenkstein für die Gefallenen des I. Weltkrieges. Bildquelle Janeric Loebe Wikimedia CC

1941 wurde der jüdische Friedhof von den Nationalsozialisten enteignet und das Taharahaus an die Firma Bosch vermietet, die es als Lagerhalle nutzte. Dadurch wurde das Gebäude aber auch vor dem Abriss und der Friedhof vor Schändungen bewahrt. Bis Mai 1945 verblieben lediglich 15 Juden, die in sogenannten “Mischehen” lebten und nicht deportiert wurden, in der Stadt. Mindestens 630 Bamberger Juden fielen der Shoah zum Opfer. Viele Schicksale sind bis heute ungeklärt. Nach der Befreiung 1945 gab die Stadt Bamberg den Friedhof wieder zurück an die Israelitische Kultusgemeinde.

Im Jahr 1965 wurde der Friedhof geschändet, Grabsteine wurden mit Parolen beschmiert: „Juden fahrt in die Hölle“, „Es lebe der Führer“, „Es lebe die SS – 6.000.000 sind zu wenig“. Auf einer weiteren Stele klebte eine Fotografie von Adolf Hitler mit der Aufschrift „Der Führer sagt, hier liegt ein Saujud“.

Bildquelle und weitere Archivfotos: Bamberger Friedhöfe – Universität Bamberg

1995 konnten auf Initiative von Herbert Loebl sel. A., einem der letzten Nachkommen von Bamberger Juden vor dem Krieg, nach intensiven Recherchen über das Schicksal der Ermordeten, in der Trauerhalle sechs Gedenktafeln mit den Namen der Opfer der Shoah eingeweiht werden:

Heute stehen Halle und Friedhof unter Denkmalschutz. Die Pflege ist aufwendig: Viele der Sandsteine sind durch Verwitterung stark angegriffen. Durch die Senkung des Wasserspiegels und den Schwemmsandboden sinken Grabfundamente, was oft zum Brechen und Umfallen der Sandsteindenkmäler führt. Durch aufwändige Sanierungsarbeiten in den 1980er Jahren konnten die Grabsteine zumindest bis auf Weiteres gesichert werden. Im historischen Teil des Friedhofes werden Dank des Engagements des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern die Grabsteine gegen Einstürzen gesichert; ein langjähriges Steinmetzunternehmen aus dem Bamberger Raum kümmert sich um deren behutsame Restaurierung.

Grabmäler bedeutender jüdischer Bamberger Persönlichkeiten auf dem Friedhof

  • Willy Aron (1907–1933), Gerichtsreferendar und Widerstandskämpfer gilt als erstes Bamberger Opfer des nationalsozialistischen Terrors. Er wurde am 17. Mai 1933 im KZ Dachau ermordet
  • Willy und Paula Lessing (1881–1939 und 1888–1944), Willy Lessing, 1. Vorsitzender der IKG Bamberg, Kommerzienrat und Unternehmer, starb am 17. Januar 1939 an den Folgen der Misshandlungen während der Novemberprogrome 1938
  • Markus und Julie Tietz (1849–1901 und 1853–1930), Gründer des Warenhauses H. & C. Tietz (von den Nazis 1939 enteignet und liquidiert)
  • Grabmäler der Familie Wassermann, einer bedeutenden Bankiersfamilie
  • Carl Emanuel Dessauer (1844–1908), Hopfenhändler und Erbauer der Villa Dessauer
  • Carl Isidor Dessauer (1850–1913), Gründer der Malzfabrik Dessauer (heute Bamberger Mälzerei GmbH)
  • Chriss Fiebig (1942–2004), Trägerin der Bamberger Stadtmedaille
  • Simon Lessing (1843–1903), Hopfengroßhändler und Gründer der Exportbrauerei Frankenbräu, Vater von Willy Lessing

Aktuell

Heute wird der 7640 m² große Friedhof, auf dem sich etwa 1.100 Grabsteine befinden, von der – nach der Zuwanderung von jüdischen Menschen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion in den 90er Jahren wieder gewachsenen – Israelitischen Kultusgemeinde gepflegt und als Begräbnisstätte genutzt.

Die Öffnungszeiten des Friedhofs erfragen Sie bitte direkt über unsere Gemeinde.

Bildergalerie

Klicken Sie auf die Pfeile, um durch die Galerie zu gehen oder auf das Bild, um es in Originalgrösse anzuzeigen.

Alle Bilder sind, soweit nicht anders angegeben, unter CC BY 3.0 von der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg K.d.Ö.R. lizensiert. Sie können sie – unter Quellenangabe – gerne für Ihr (Erinnerungs-)Projekt verwenden.

Falls Sie weitere Bilder, Hinweise oder Anmerkungen zu diesem Beitrag unseres Jüdischen Lehrhauses Bamberg haben, wenden Sie sich bitte direkt an mich.

Martin Arieh Rudolph, 1. Vorsitzender Israelitische Kultusgemeinde Bamberg