Parascha Teruma

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Solomon’s Temple, Museum für Hamburgische Geschichte, Hamburg. Bildquelle: Wikimedia CC

2. BM Schemot 25:1-27:19

Der Abschnitt Teruma befasst sich mit dem Bau der Stiftshütte. Sie stellt den klassischen Ort der Heiligung dar. Zur Ausführung ihrer Errichtung heißt es:

Und der HERR redete mit Mose und sprach: Sage den Israeliten, dass sie für mich eine Abgabe erheben. Nehmt sie von jedem, der sie freiwillig gibt.

Exodus 25, 1f

Wir stellen uns die Frage, warum muss die Stiftshütte durch Spenden von Menschen finanziert werden?

Um diesen Sachverhalt besser zu verstehen, müssen wir unseren Blick 500 Jahre weiter nach vorne richten, als Salomon den Tempel in Jerusalem bauen ließ. Es handelt sich dabei um eine von den ironischen Geschichten der Bibel. Salomon war ein kluger Mann und G-tt erfüllte seinen Wunsch, ihm Weisheit zu verleihen. Das Volk Israel lebte in wirtschaftlichem Wohlstand.

Der Tempelbau in Jerusalem unter der Ägide Salomons wird in Zusammenhang mit dem Auszug aus Ägypten gesehen. So lesen wir im ersten Buch der Könige:

Im vierhundertachtzigsten Jahr nach dem Auszug Israels aus Ägyptenland, im vierten Jahr der Herrschaft Salomons über Israel wurde das Haus dem Herrn gebaut.

6,1

Das verbindende Element finden wir in 5. Mose 12,9 aufgeschrieben. Kurz bevor das Volk ins verheißene Land einzieht, teilt Mose ihm mit:

Denn ihr seid bisher noch nicht zur Ruhe und zu dem Besitz gekommen, den der Ewige, dein G-tt, dir geben wird.

Nach traditioneller Interpretation erkennen wir bei der Erwähnung der „Ruhe“ eine Vordeutung auf Jerusalem und mit dem „Besitz“ den Tempel.

Am Ende wird Salomon nicht als ein erfolgreicher König bewertet. Er hatte viele fremde Frauen geheiratet, die sein Herz dem Götzendienst zuneigten (1.Könige 11,4). Wenn wir aufmerksam die Kapitel lesen, in denen davon berichtet wird, welche Maßnahmen er ergriff, um den Bau des Tempels zu organisieren, kommen wir zu einer kritischen Einschätzung seiner Person.

Mit dem Projekt des Tempelbaus legte er dem Volk ein Joch auf, das nach seinem Tod zur Teilung des Königreiches führte.

Unter Salomons Sohn Rehabeam fielen zehn Stämme von ihm ab und bildeten fortan das Nordreich Israel. Statt einem einzigen starken Königreich standen nun den Nachbarvölkern zwei schwache miteinander verfeindete Staatengebilde gegenüber, die leicht zu erobern waren.
Wie konnte es in dem wirtschaftlich blühenden Königreich Salomons dazu kommen, dass der Rebell Jerobeam Ben Nebat die zehn Stämme für sich gewinnen konnte?

Nach dem Tod Salomons erhoffte sich das Volk eine Minderung der Steuerlasten. In Jerobeam fanden die Israeliten ihr Sprachrohr. Dieser rebellierte bereits gegen Salomon und war nach Ägypten geflohen. Nach dem Tod des Königs kehrte er nach Jerusalem zurück und nahm sich der Enttäuschung und Verbitterung des Volkes über Rehabeam an.

Die Berater Salomons empfahlen dessen Sohn, auf die Forderungen des Volkes einzugehen. Dieser aber schlug ihren Rat in den Wind, Stattdessen erhöhte er die Lasten. Damit war über das Schicksal des Volkes entschieden.

Etwas Komisches offenbart uns diese Geschichte. Der Begriff der „Awoda kascha“, der harten Arbeit erinnert an die Erzählungen im Buch Exodus, als das Volk Israel über die Frondienste in Ägypten klagte (Exodus 6,9).

Der Begriff „Nosse ssabal“ (1. Könige 5,29) beschreibt die Lastenträger aus dem Volk Israel, die Salomon im Libanon einsetzt. Er begegnet uns schon in Exodus 2,11, als Mosche seine Brüder bei der Sklavenarbeit aufsucht „und er sah ihre Lasten“. Wenig später erhält Mosche vom Ewigen den Auftrag:

Sage den Israeliten: Ich bin der HERR und will euch wegführen von den Lasten, die euch die Ägypter auflegen.

Exodus 6,6

Eine Parallele zwischen der Handlungsweise Salomons und dem Pharao findet man in der Bemerkung, dass der israelische König Lagerhäuser (1. Könige 9,19) baute – nach dem Vorbild des Ägypters (Exodus 1,11).

Das Buch Könige vermeidet, in direkter Sprache zu uns zu reden. Aber Salomons Projekt, den Tempel zu bauen, hat das Volk als ein zweites Ägypten erlebt. König Salomo war nahe daran, ein israelischer Pharao zu werden.

Man könnte lachen über die Ironie bei diesem dritten König Israels. Auf der einen Seite war er der klügste aller israelischer Könige, die Nation erlebte wie nie vorher einen wirtschaftlichen Aufschwung unter seiner Regierung und weitestgehend herrschte Friede.

Salomon war beschäftigt mit einem heiligen Ziel: Er führte mit dem Bau des Tempels den Exodus des Volkes aus Ägypten zum Abschluss. G-tt und Volk hatten ein Ort der Heiligung. Doch in der Art und Weise seines Vollzugs dieses ehrgeizigen Ziels führt er den Niedergang des geeinten Königreichs herbei.

Mit der Errichtung des Tempels hatte Salomon den Exodus vollendet, aber – ironischerweise – das Volk selbst wieder versklavt, indem er es zu Zwangsarbeitern am Bau der Wohnung seines Befreiers machte. Man möchte sagen: Nicht das Ziel heiligt die Mittel, sondern der Weg heiligt das Ziel.

Von dieser verkehrten Ambition Salomons fällt Licht auf die Mitzwa zum Bau des Mischkan:

Sage den Israeliten, dass sie für mich eine Abgabe erheben. Nehmt sie von jedem, der sie freiwillig gibt.

Exodus 25,2

In der Zusammenschau mit G-ttes Aussage: “Und sie sollen mir ein Heiligtum machen, dass ich einwohne in ihrer Mitte“ (25,8), wird ersichtlich: G-ttes Schechina wohnt nicht in der Stiftshütte, sondern im Volk Israel.

Es kommt darauf an, dass jeder Mensch in seinem Inneren, in seiner Mitte einen heiligen Raum schafft, in dem die G-ttliche Gegenwart wohnen kann. G-tt wohnt nicht zuerst in einem Gebäude, sondern in den Menschen, die Ihn von ganzem Herzen und mit aller Kraft lieben.

Der Tempel soll das geografische Zentrum der Nation abbilden. Einer Nation, die G-tt in die Freiheit und zum Frieden geführt hat. So wie die Stiftshütte sollte der Tempel durch freiwillige Abgaben und den guten Willen der Kinder Israel gebaut werden.

Wenn aber die Wohnung G-ttes durch Zwangsarbeit erstellt wird, steht das gegen den Willen des Ewigen. Er wünscht keinen G-ttesdienst aus Zwang.

Schabbat Schalom!

https://www.talmud.de/tlmd/die-torah-eine-deutsche-uebersetzung/die-torah-trumah/