Parascha Mikez

Peter Cornelius, Joseph deutet die Träume des Pharao, Alte Nationalgalerie Berlin. Bildquelle: Wikimedia Creative Commons CC0 1.0

1. BM Bereschit 41:1–44:17

Träume

Das Buch der Träume – so könnte man die 1. Mose, das erste Buch Mose auch nennen. Von vielen Träumenden wird dort erzählt: G’tt erscheint Abraham im Traum; Jakob sieht die Himmelsleiter und Josef wird der Träumer genannt.

In den folgenden vier Büchern des Pentateuch wird so gut wie kein bedeutender Traum mehr erwähnt. Man kann die Frage stellen, warum an sich seit der Übergabe der 10 Gebote auf dem Sinai und mit ihrer Offenbarung die Träume kontinuierlich ihren Wert in der hebräischen Bibel verlieren, während sie vorher im Buch 1. Mose eine theologisch richtungsweisende Bedeutung haben. Bei den Propheten bereiten die Träume sogar selbst ihre eigene „Entwertung“ vor.

Sehen wir auf zwei Menschen, von denen im 1. Buch Mose erzählt wird. Da träumt unser Vater Jakob, dass er Engel auf einer Leiter zwischen Himmel und Erde auf und nieder steigen sieht, und am Ende ganz oben dieser Leiter, steht G’tt, der ihm das gelobte Land und zahlreiche Nachkommen verspricht. In den Engeln erkennt eine Auslegung unserer Weisen sogar Jakob selbst wieder, wie er die Verbindung zwischen Erde und Himmel hält, wie er für den Kontakt zwischen G’tt und sich sorgt. So stellt er den Inbegriff des G’tt zugewandten und zugehörigen Menschen dar.

Ihm gegenüber steht der König von Ägypten – Pharao! Aus der Sicht der rabbinischen Literatur ist er nur das große Krokodil, das im Nil liegt. Pharao aber selbst träumt anders. Er sieht sich am Yeor, nämlich am Nil, dem großen Strom Ägyptens stehen, der seinem Land Fruchtbarkeit und Gedeihen verleiht. Ihm verdankt es alles Leben. Der Nil ist Ägypten. Und so wurde dieser Fluss in der Antike von den Ägyptern als G’tt verehrt, der ihnen Leben spendete und die Wirtschaft ihres ganzen Landes sicherte. Der mächtige Strom als göttliche Lebensader, der den Glauben des Pharao und seiner Untertanen auf sich zog. Aus diesem G’tt strömen Ägypten alle Lebensgüter zu.

Zwei Träume – zwei Weisen des Glaubens.

Der Pharao ist ein Götzendiener. Er verwechselt eine Schöpfergabe mit dem Geber aller Gaben. Er erhebt das fruchtbringende Wasser des Nils zu seinem G’tt und schafft sich damit seinen Abgott. Und alle Verehrung dieses Götzen hat zum Ziel, dass er die Wünsche und Bedürfnisse seiner Anbeter erfüllen möge. Von dem Strom seiner Gaben möchte sich Pharao durch’s Leben tragen lassen.

Dagegen beobachten wir bei Jakob die umgekehrte Bewegung. Er nimmt G’tt nicht für die Erfüllung seiner Wünsche und Bedürfnisse in An-spruch. Er legt sich nicht wie das gierige und alles verschlingende Krokodil vom Nil in den Strom zu erwartender Gaben.

Jakob nimmt vielmehr G’tt auf sich. Unser Vorfahre trägt G’tt, indem er seine Gebote zur Richtschnur seines Lebens macht. Im Gehorsam gegen die Mizwot – die Gebote – trägt er G’tt in die Welt, segnet IHN und er-fährt bei seinem Tragen, dass er seinerseits von G’tt durch die Beachtung der Mizwot gesegnet wird.

Durch die Übergabe der Tora bindet sich G’tt an den Menschen und der Mensch soll sich durch den Gehorsam gegenüber der Tora an G’tt bin-den. So erübrigt sich alles Träumen und Erträumen eines von Menschen gemachten G’ttes. Und G’tt selbst kann auf sein Eingreifen und Leiten durch Träume verzichten, weil er den Menschen durch die Gebote führt, die alle seine Lebensbereiche durchziehen, wachsen und gedeihen lassen.

Und wenn wir unseren Blick noch einmal auf Jakobs Traum von der Himmelsleiter lenken, dann erkennen wir in jeder Leitersprosse ein Gebot G’ttes, mit dessen Hilfe sich Jakob auf der Erde und zwischen Himmel und Erde bewegt. Der G’tt Jakobs dient nicht als Erfüllungsgehilfe menschlicher Interessen. Im Gegenüber und Miteinander mit dem lebendigen G’tt Israels durchzieht und durchtränkt der wahre Gläubige die Welt mit seiner G’ttesfurcht. Und diese G’ttesfurcht findet ihren prägnanten Ausdruck in der alltäglichen praktischen Bewährung der Mizwot, zwischen Mensch und G’tt und Mensch und Mitmensch.

Das ist der Unterschied zwischen dem Glauben des jüdischen Volks und heidnischem Glauben: Der G’tt Israels erwartet von seinen Gläubigen, in Furcht und Liebe aufgenommen und in die Welt getragen zu werden. Da bleibt kein Raum für Träume, die den Abgöttern Ehre tun.

Schabbat Schalom!

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