Parascha Wajigasch

Josef wird von seinen Brüdern erkannt (Léon Pierre Urbain Bourgeois, 1863). Bildquelle: Wikimedia

1. BM Bereschit 44:18-47:27

Wiedersehen


Der Fokus im Abschnitt Wajigasch ist ausgerichtet auf das Wiedersehen Josefs mit seinen Brüdern und dem Vater Jakob. Diese Begegnung von Vater und Sohn gehört zu den berührendsten Erzählungen der Tora überhaupt.


Zunächst trifft Josef seine Brüder. Dieses Treffen bereitet das Wiedersehen des längst tot geglaubten Sohnes mit seinem Vater vor. Erstaunlich ist, dass nach 22 Jahren der Trennung nicht Josef nach Hebron reist, sondern sich der hoch betagte Patriarch nach Ägypten aufmacht, um dort seinen Sohn in die Arme zu schließen.


Ursprünglich kam Jakob nach Ägypten, um Josef nur zu besuchen, aber bei einem kurzen Besuch blieb es nicht. Jakob wurde ein schönes und bequemes Leben in Aussicht gestellt, da Josef in Ägypten als rechte Hand des Pharaos wirkte.


Doch wie wir in einem Midrasch von Rabbi Elieser lesen, fällt dem Erzvater die Entscheidung auszuwandern, nicht leicht:

Als Jakob hörte, dass sein Sohn Josef noch am Leben sei, dachte er darüber nach, ob er wirklich das Land seiner Väter und seiner Geburt verlassen sollte, in dem doch die Schechina, die Gegenwart Gottes wohnte, um in ein Land zu ziehen, in dem es keine Gottesfurcht
gab.


Und in der Tat: Jakob hat es auf seiner Reise nicht eilig. Wohl voll schwerer Gedanken im Herzen über seine Reise nach Ägypten legt er mit seiner Familie in Beer Scheba erst einmal einen Stopp ein. Dort ergeht eine Verheißung an ihn:

Ich bin Gott, der Gott deiner Väter; fürchte dich nicht, nach Ägypten hinabzuziehen, denn daselbst will ich dich zum großen Volk machen.


Jakob erfährt hier die Zusage, dass er mit seiner Auswanderung nach Ägypten nicht eigenwillig, sondern in Übereinstimmung mit Gott handelt. Das seinem Großvater Abraham gegebene Versprechen, aus seinem Samen ein großes Volk entstehen zu lassen, wird Gott in der Fremde wahrmachen. Darüber hinaus verspricht ER ihm:

Ich will mit dir hinab nach Ägypten ziehen und will auch dich heraufführen; und Joseph soll seine Hände auf deine Augen legen.


Bis heute lehrt uns die Erfahrung: Einer wandert selten alleine aus, er zieht andere mit. Und so siedelten sich alle Kinder Jakobs mit ihrem Vater im Lande Gosen an und dachten, nachdem sie in Ägypten Fuß gefasst hatten, nicht mehr an Rückkehr.


In einem Midrasch lesen wir, wie Rabbi Elieser ben Schamoar und Rabbi Jochanan HaSsandlar miteinander in den Norden Israels ziehen, um bei Rabbi Jehuda ben Batira Tora zu lernen. Als sie Sidon erreichen, erinnern sie sich an ihre Heimat Israel. Da beginnen sie zu weinen, zerreißen ihre Kleider und lesen im 5. Buch Mose, dass sie sich ja nicht der Versuchung aussetzen sollen, den von Gott im Land Israel ausgerotteten Götzen in der Fremde zu dienen. Daraufhin kehren sie wieder zurück und sprechen:

Das Leben im Land Israel entspricht dem gesamten Inhalt der Tora.

Wir sehen: Nicht einmal der Wille, die Tora zu lernen, übertrifft die Liebe zum Land.

Schabbat Schalom!

https://www.talmud.de/tlmd/die-torah-eine-deutsche-uebersetzung/die-torah-WaJigasch/