Parascha Wajakhel

Bildquelle: Shabbat Candles, Wikimedia

Von Rabbiner Dr. S. Almekias-Siegl

Schabbat – Zeit wofür?

2. BM 35:1 -28:20

Mosche versammelte die ganze Gemeinde der Bne Jisrael und sprach zu ihnen: Dies sind die Dinge, die G-tt zu tun geboten hat. Sechs Tage darf Arbeit getan werden, aber am siebten Tag sei euch ein Schabbat zur heiligen Feier dem Ewigen …

Schmot 35, 1-2

Im Jalkut Schimoni, einer Sammlung von Midraschim, wird unsere Aufmerksamkeit auf die Tatsache gelenkt, dass im Zusammenhang mit der Schabbat-Gesetzgebung die Tora hier das Verbum “versammeln” wählt. Der Midrasch sieht darin eine Anspielung, dass in späteren Generationen das Volk sich am Schabbat versammeln wird, um den Worten der Tora zu lauschen. Der Talmud diskutiert die Toralesung während des Morgen-G-ttesdienstes am Schabbat, Montag und Donnerstag wie folgt:

Es wird gelehrt: ‘Und sie wanderten drei Tage in der Wüste und fanden kein Wasser’ (Schmot 15, 22). Die Schriftausleger erklärten, unter Wasser sei die Tora zu verstehen, denn es heisst “Auf ihr Durstigen alle, kommt herbei zum Wasser” (Jeschajahu 55, 1).


Als sie nämlich drei Tage ohne Tora gingen, erschlafften sie. Da traten die Propheten unter ihnen auf und ordneten an, dass man am Schabbat aus der Schrift vorlese und am Sonntag unterbreche, am Montag vorlese und am Dienstag und Mittwoch unterbreche, am Donnerstag vorlese und am Freitag unterbreche, damit sie nicht drei Tage ohne Tora übernachten (Baba Kama 82a)

Die Lesung der Tora am Schabbat-Nachmittag zu Mincha geht auf Esra zurück, also auf die Zeit der Rückkehr aus dem babylonischen Exil. Er wollte dadurch verhindern, dass das Volk seinen “freien Tag” nur mit “belanglosen Gesprächen” verbrachte.

Aus jüdischer Sicht dient der Schabbat nicht nur der körperlichen Ruhe und Erholung, dem Unterbrechen der täglichen, ermüdenden Routine. Der Schabbat ist vor allem ein zeitlicher Freiraum, um die im Alltag verdrängten geistigen Bedürfnisse zu ihrem Recht kommen zu lassen. Wohl kennen wir den Begriff von “Oneg Schabbat”, dem Schabbat-Vergnügen, und unsere Weisen haben für den Schabbat die Einnahme von drei Mahlzeiten angeordnet, sodass auch der Körper seine Anforderungen befriedigt sieht.

Doch wurden diese Mahlzeiten in einen ganz bestimmten Tagesablauf eingebettet, wie es der Rambam formuliert:

Der Genuss von Fleisch und das Trinken von Wein ist am Schabbat ein Vergnügen, je nach Einkommen des Betreffenden. Man darf aber am Schabbat und Jom Tow eine Mahlzeit mit Wein nicht zu der Stunde abhalten, zu der im Lehrhaus gelernt wird. So war der Brauch der früheren Zaddikim: Man betet Schacharit und Mussaf in der Synagoge, danach wird zuhause die zweite Mahlzeit eingenommen (die erste am Freitagabend). Dann geht man ins Lehrhaus, liest in der Tora und lernt bis Mincha. Dann betet man Mincha und nimmt die dritte Mahlzeit mit Wein ein (Se’uda Schlischit) und verweilt dabei bis zum Ausgang des Schabbat

Hilchot Schabbat 30, 10

Am jüdischen Familientisch werden, zumindest am Schabbat, auch geistige Gänge serviert, gemäss einer Maxime aus Pirke Awot (3, 3):

Rabbi Schimon sagte: Drei, welche an einem Tisch gegessen und dabei kein Tora-Wort gesprochen haben, sind so, als hätten sie von Mahl-Opfern der Toten gegessen, denn es heisst: “Alle Tische sind voll menschenunwürdigen Auswurfs …” (Jeschajahu 28, 8). Aber drei, die an einem Tisch gegessen und Tora Worte gesprochen haben, sind, als hätten sie vom Tisch G-ttes gespeist, denn es heisst: “Er sprach zu mir, dies ist der Tisch, der vor G-ttes Angesicht …” (Jecheskel 41, 22).

Die Kommentatoren fassen dies so auf, dass der Tisch, an dem von G-tt die Rede ist, ein Tisch ist, an dem sich die g-ttliche Allgegenwart einstellt. Am Schabbat ist jeder von uns zu geistiger Kreativität aufgerufen. Beim Studium der Tora und der Schriften soll man sich seine eigenen Gedanken machen, was unsere Weisen als “Chldusche Tora”, innovative Überlegungen zur Tora bezeichnet haben. Gerade der Schabbat ist dafür der geeignete Moment (Mischna Berura zu Orach Chajim 290, 1).

Einen neuen Gedanken und eine gelungene Erklärung soll man nach dem Sefer Chassidim (Kap. 530) nicht für sich behalten. Das Sefer Chasesidim ist eine Sammlung von Lehren der Chasside Aschkenas, der Frommen aus Deutschland, und geht auf das 12. und frühe 13. Jahrhundert zurück. Als Verfasser gilt Rabbi Jehuda Hey Chassid von Regensburg. Wer auf eine neue Deutung einer Schriftstelle stösst, soll diese nach Schabbat notieren und veröffentlichen. Tut er dies nicht, so hält er gleichsam eine g-ttliche Eingebung zurück. Er “beraubt” seine Umgebung. Das Sefer Chassidim begründet dies mit einem Passus aus Tehillim (25, 14):

Das Geheimnis G-ttes wird denen zuteil, die Ihn fürchten, und Sein Bund ist es bekannt zu geben.

Nun ist es nicht jedermann vergönnt, neue Interpretationen und Kommentare zu entwickeln. In diesem Fall empfiehlt der Chafez Chajim in seinem Kommentar “Mischna Berura” solche Texte zu studieren, denen man sich bisher nicht zugewandt hatte. Die Tora Literatur auch in fremdsprachigen Übersetzungen wächst von Jahr zu Jahr, so dass es am Schabbat an Lesestoff sicher nicht fehlt!

Schabbat Schalom!

https://www.talmud.de/tlmd/die-torah-eine-deutsche-uebersetzung/die-torah-WaJakhel/