Schabbat 8. Tag Pessach

Bildquelle: Pessach Haggada – Die von den Ägyptern verfolgten Israeliten, 14. Jhd., Wikimedia

Von Rabbiner Dr. S. Almekias-Siegl

Die Befreiung

Am 7. Tag Pessach wird die Schira gelesen, der Gesang von Mosche und von Israel nach dem Durchzug durch das Schilfmeer.

G-tt möchte ich singen, wie hoch, wie hoch Er gewesen, Ross und Reiter hat Er ins Meer geschleudert!

Schmot 15, 1

Raschi lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass das verwendete Verb “geschleudert” durch das hebräische “Rama” ausgedrückt wird, in dessen Wurzel der Begriff “ram”, hoch, erhoben, enthalten ist. Hier wird eine Bewegung beschrieben, die den Feind gleichsam zuerst in die Luft wirbelt, um ihn dann im Meeresgrund versinken zu lassen. Warum wählt die Tora ausgerechnet dieses Wort, um den Untergang der Feinde zu schildern?

Im Klagelied Echa, welches die Zerstörung des Ersten Tempels durch die Babylonier festhält, finden wir den Satz: “Ihre Widersacher sind obenauf” (Echa 1, 5). Der Talmud interpretiert diesen Satz wie folgt:

Rawa bemerkte im Namen von Rabbi Jochanan: Jeder, der Israel befeindet, gelangt an die Spitze

Sanhedrin 1046

Diese Aussage kann auf zweifache Weise begriffen werden. Bis heute gelingt es jedem Politiker, der das Motiv des Judenhasses auf seine Fahne schreibt, relativ leicht, eine Anhängerschaft um sich zu scharen und politischen Gewinn daraus zu schlagen, zum Volkstribunen aufzusteigen.

Auf der Bühne der Weltgeschichte waren es jeweils bedeutsame und hoch entwickelte Kulturen, welche die hasserfüllte Auseinandersetzung mit dem jüdischen Volk suchten. Ägypten, Babylonien, Rom, das christliche Spanien des Mittelalters, in unserer Zeit Deutschland, das Land der Dichter und Denker, bevor es zum Land der Richter und Henker wurde.

Die Tora deutet hier eine allgemeingültige Wahrheit an. Die stärksten Mächte der Erde versuchten Am Jisrael zu vernichten, doch alle waren und sind sie zum Scheitern verurteilt. Von den höchsten Höhen der Macht erfolgte der Sturz in den Abgrund!

Und G-tt liess das Herz Pharaos, des Königs von Ägypten, fest sein, so dass er die Bne Jisrael verfolgte, und die Bne Jisrael ziehen mit erhobener Hand hinaus

Schmot 14, 8

Der Wechsel von Vergangenheit (“verfolgte”) zur Gegenwart (“ziehen hinaus”) im gleichen Passus fällt auf. Hier wird die Botschaft ausgedrückt, dass die diversen Verfolgungen einst alle der Vergangenheit angehören werden, die Existenz und Freiheit des jüdischen Volkes aber immer währen, in jeder Generation sich aufs neue realisieren.

Den Ausdruck “mit erhobener Hand” deutet Ibn Esra dahingehend, dass das Volk mit entsprechender Bewaffnung Ägypten verliess, so wie es einige Verse früher heisst:

Und bewaffnet – Chamuschim – zogen die Bne Jisrael aus Ägypten

Schmot 13, 18

“Chamuschim”, die hebräische Wurzel enthält die Buchstaben “Chet”, “Mem”, “Schin”. Dies wiederum sind die Anfangsbuchstaben dreier Mizwot, die den Auszug aus Ägypten begleiteten:

“Chodesch”, der Neumond, die Festsetzung des jüdischen Kalenders (Schmot 12, 2); “Mila”, die Beschneidung, Voraussetzung für das Darbringen das Pessachopfers (Schmot 12, 44); Schabbat, denn laut Midrasch konnte Mosche bereits vor dem Auszug aus Ägypten einen freien Arbeitstag für das geknechtete Volk bei Pharao durchsetzen.

Rabbi Efrajim von Luntschitz, der Autor des Torakommentars “Kli Jakar”, sieht in diesen drei Mizwot die geistigen Waffen, die den Auszug des Volkes aus Ägypten begleiteten und Grundlage der jüdischen Zivilisation wurden. Materiell und geistig gewappnet, und im Vertrauen auf den g-ttlichen Beistand, konnte das Volk seinen Widersachern gegenübertreten:

G-tt wird für euch kämpfen und ihr schweigt

Schmot 14, 14

Schabbat Schalom ve Chag Sameach!