Parascha Bechukotai

Bildquelle: Gefangengenommene Israeliten, 1890, Wikimedia

Von Rabbiner Dr. S. Almekias-Siegl

Friede

3. BM Wajikra 26:3-27:34

… und ihr werdet euer Brot zur Sättigung essen und werdet sicher in eurem Lande wohnen. Ich gebe Frieden im Lande, ihr legt euch nieder und nichts stört eure Ruhe. Ich lasse wildes Tier aus dem Lande schwinden und kein Schwert wird durch euer Land
ziehen

Waj. 26, 5-6

Diese Verse sind Teil der segensreichen Versprechen, welche G’tt Seinem Volk zusichert, wenn dieses seinerseits die g’ttlichen Gesetze befolgt. Frieden im Lande, darunter versteht Ibn Esra den inneren Frieden. Das Zusammenleben des Volkes soll weder von sozialen und wirtschaftlichen, noch von politischen Spannungen und Auseinandersetzungen erschüttert werden. Wirtschaftlicher Wohlstand wird es den Landesbewohnern erlauben, ihr Brot im eigenen Land zu erwerben und sie nicht zu Wirtschaftsflüchtlingen zu machen. Im Gegensatz zu Awraham wird keine Hungersnot die Menschen in die Emigration treiben (Tossefet Bracha). Die Sicherheit nach aussen spricht bereits der vorangehende Satz an:

Und werdet sicher in eurem Lande wohnen

Waj. 26, 5

Sicherheit beinhaltet auch die Möglichkeit zur Selbstverteidigung und gegebenenfalls zum Präventivschlag, was wiederum der nachfolgende Satz ausspricht:

Und ihr werdet eure Feinde verfolgen, und sie werden vor euch durch das Schwert fallen

Waj. 26, 7

Der “Or Hachajim” betont im Vers 5 die Formulierung “in eurem Lande”. Frieden und Sicherheit des jüdischen Volkes in seinem Land hängen auch davon ab, dass die Nachbarländer und die ganze Welt unseren Anspruch auf einen eigenen Staat in Erez Jisrael anerkennen werden. Was der “Or Hachajim” vor rund 250 Jahren in seinem Kommentar festhielt, scheint sich in unserer Zeit zu realisieren. Die beginnende Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes von Am Jisrael durch die arabischen Nachbarn.

Wenn die Tora festhält, dass “kein Schwert durch das Land ziehen wird”, so kann dies eine Anspielung darauf sein, dass die eigene Armee keine Manöver mehr veranstalten muss, weil ein echter Friede herrscht, der selbst solche Massnahmen überflüssig macht.

“Ich gebe Frieden im Lande” wird von manchen Erklärern wörtlich genommen. Der Boden des Landes wird von keinem Erdbeben erschüttert werden (Rabbi Schmuel Alter in “Likute batar Likute”). Wir wissen, dass die Region des Nahen Ostens durchaus erdbebenanfällig ist. Für den wahren Friedenszustand sichert die Tora auch Schutz vor Naturkatastrophen zu. Der “Ktaw Sofer” nimmt das sich zur Ruhe Legen und den ungestörten Schlaf wörtlich. Kein nächtlicher Alarm und keinerlei Albträume werden die Menschen aus dem Schlaf scheuchen und alle werden ihre verdiente Nachtruhe geniessen.

Was für eine Bewandtnis hat es mit den wilden Tieren, von denen der obige Passus spricht? Die wortgetreue Auslegung kann hier auf eine Stelle im Sefer Schmot verweisen (Schmot 23, 29), wo die Existenz von wilden, dem Menschen schädlichen Tieren in Erez Jisrael beschrieben wird. Von ihnen wird dereinst keine Gefahr mehr ausgehen. Der Ramban sieht darin eine Anspielung auf die messianische Zeit, von der es im Propheten Jeschajahu heisst:

Und es wohnt der Wolf mit dem Lamm und der Tiger lagert neben dem Böcklein, und Kalb und junger Löwe und Stier zusammen, und ein kleiner Knabe leitet sie. Und Kuh und Bär weiden, es lagern ihre Jungen zusammen und der Löwe, wie ein Kind, frisst Stroh

Jesch. 11, 6-7

Maimonides interpretiert diese Vision des Propheten symbolisch. Nach ihm werden einst die grossen, mächtigen und aggressiven Nationen (“die wilden Tiere”) in friedlicher Koexistenz mit den kleinen Völkern leben (“die zahmen Haustiere”). Fällt die Konfrontation zwischen den Grossmächten weg, so hat auch der Frieden im Nahen Osten eine Chance. Unsere Weisen haben den Frieden stets als Ideal nicht nur für Am Jisrael, sondern für die ganze Welt betrachtet:

Rabbi Schimon ben Gamliel sagte: Auf drei Dingen steht die Welt, auf dem Recht, der Wahrheit und dem Frieden, denn es heisst (Secharja 8, 16) – Diese Dinge sollt ihr tun: Redet Wahrheit einer dem anderen, wahrhaft und zum Frieden sprechet Recht in euren Toren

Awot 1, 18

Der dritte Teil des Morgengebets, das wir täglich sprechen, beginnt mit der Bracha:

Gesegnet seist Du, Ewiger, unser G’tt, König der Welt, Bildner des Lichtes und Schöpfer der Finsternis, der Frieden stiftet und alles erschafft.

Die letzte Bracha der Schmone Esre steht wiederum ganz im Zeichen des Friedens:

Gründe Frieden, Gutes und Segen, Gunst und Gnade und Erbarmen über uns und über Dein ganzes Volk Israel. Segne uns, unser Vater, uns alle zusammen, mit dem Licht Deines Angesichtes, denn im Lichte Deines Angesichtes gabst Du uns, Ewiger, unser G’tt die Lehre des Lebens und die Liebe zur Wohltat und Milde und Segen und Erbarmen und Leben und Frieden. Und gut sei es in Deinen Augen, Dein Volk Jisrael zu jeder Zeit und jeder Stunde mit Deinem Frieden zu segnen.

Schabbat Schalom!

https://www.talmud.de/tlmd/die-torah-eine-deutsche-uebersetzung/die-torah-Bechukotaj/