Parascha Chukat

“Moses schlägt Wasser aus dem Fels” 17. Jhd., Wikimedia

Von Rabbiner Dr. S. Almekias-Siegl

Ein Fehlschlag

4. BM Bemidbar 19:1 – 22:1

Ich dachte es zu verstehen, doch es blieb mir fern

Kohelet 7, 23

Der Midrasch Bamidbar Rabba (19, 3) bezieht diese Aussage auf das Gebot der “Roten Kuh”, welches den Auftakt zu dieser Parascha darstellt. Doch nicht weniger rätselhaft sind die Ereignisse, die sich am “Haderwasser” abspielen. Die Tatsache, dass Mosche den Felsen schlägt und nicht zu ihm spricht, kostet ihn den Einzug nach Erez Jisrael (Bam. 20, 113).

In seinem Torakommentar führt Rabbi Schmuel David Luzzato mehr als dreizehn verschiedene Erklärungen an, welche sich bemühen, eine Antwort auf die Frage zu geben, worin eigentlich Mosches Fehlverhalten bestand.

Vielleicht verstehen wir diese Vorgänge besser, wenn wir uns an die Schilderung einer früheren, ähnlichen Episode erinnern. Kurz nach dem Auszug aus Ägypten verlangt das Volk in Refidim nach Wasser und Mosche erhält von G-tt den folgenden Befehl:

… den Stab, mit dem du den Fluss geschlagen hast, nimm in deine Hand und gehe. Siehe, Ich stehe dort vor dir auf dem Felsen zu Chorew, schlage an den Felsen, So werden daraus Wasser herauskommen, und das Volk wird trinken

Schmot 17, 5-6

Auch in unserer Parascha wird Mosche aufgefordert, den Stab zu ergreifen (Bam. 20, 8), doch während er in Refidim den Felsen mit dem Stab schlagen soll, muss er hier zum Felsen sprechen. Um welchen Stab handelt es sich? Die erste Erzählung lässt keinen Zweifel daran, dass es der Stab war, mit dem Ahron im Auftrag von Mosche das Nilwasser schlug und es so in Blut verwandelte. In unserer Episode heisst es lediglich:

Da nahm Mosche den vor G-tt niedergelegten Stab

Bam. 20,9

Raschbam identifiziert diesen Stab mit dem in der vorhergehenden Parascha beschriebenen “Ahronstab”, der nach der missglückten Meuterei von Korach durch ein Wunder zum Blühen gebracht wurde und so die von G-tt gewollte Sonderstellung von Ahron demonstrieren sollte (Bam. 17, 1625). Dieser Stab wurde im Stiftzelt aufbewahrt und hatte die symbolische Aufgabe, den Frieden im Volk wiederherzustellen und zu bewahren.

Der “Mosesstab” dagegen brachte während der zehn Plagen und am Schilfmeer Tod und Verderben über die Ägypter, die verdiente Strafe für die Verfolgung und fast gelungene Vernichtung des jüdischen Volkes. Am Ende der vierzigjährigen Wüstenwanderung, nach all den vorausgegangenen Aufständen und Meutereien, war eine neue Generation herangewachsen. Ihr gegenüber wollte G-tt selbst bei Fehlverhalten nicht mit Härte reagieren. Daher befahl er Mosche den “Ahronstab” zu nehmen, Symbol für Frieden und Ausgleich:

Hillel sagte: Gehöre zu den Schülern von Ahron, liebe den Frieden, jage dem Frieden nach, liebe die Men schen und bringe sie der Tora nahe

Awot 1, 12

Mosche soll den Stab zwar in seine Hand nehmen, aber es mit Güte versuchen, zum Felsen und indirekt zum Volk sprechen. Doch Mosche besitzt in diesem Fall nicht mehr die erforderliche Geduld, in Zorn lässt er sich zu scharfen Worten und dazu hinreissen, den Felsen zu schlagen.

Da sagte er zu ihnen: Höret doch, ihr Ungehorsamen! Werden wir aus diesem Felsen euch Wasser herausbringen?! Und Mosche hob seine Hand und schlug den Felsen mit seinem Stab zweimal, da kam viel Wasser heraus, und es trank die Gemeinde und ihre Tiere

Bam. 20, 10-11

Den Ausdruck “Wajarem”, er hob seine Hand, finden wir bezeichnenderweise gerade bei der ersten der ägyptischen Plagen, als Ahron den Stab hob und das Nilwasser schlug (Schmot 7, 20). Dort sollte er in voller Absicht die Ägypter mit einer Plage treffen und strafen.

Beim “Haderwasser” war der Stab jedoch bewusst als versöhnendes Symbol gedacht, das friedliche Wort sollte entscheidend sein. Wir verstehen, warum die Tora von einer verpassten Gelegenheit für “Kiddusch Haschem”, der Verherrlichung des g-ttlichen Namens, spricht (Bam. 20, 12). Eine friedliche Demonstration dank der Macht des gesprochenen Wortes hätte einen weit grösseren Eindruck auf das Volk gemacht, als die zornigen Worte Mosches und das, vielleicht aggressive, zweimalige Schlagen des Felsens.

Natürlich können wir das Fehlverhalten und den “Fehlschlag” von Mosche gut verstehen, und wer sind wir, ihm dies vorzuwerfen! Unsere Aufgabe ist es, die Botschaft des “Ahronstabes” zu begreifen, zu verinnerlichen und die richtigen Folgerungen aus dieser Episode zu ziehen!

Schabbat Schalom!

https://www.talmud.de/tlmd/die-torah-eine-deutsche-uebersetzung/die-torah-Chukat/