Parascha Chaje Sarah

Bildquelle: Cenotaph of Sarah in the Cave of the Patriarchs (Hebron), Wikimedia

Von Rabbiner Dr. S. Almekias-Siegl

Drei wesentliche Eigenschaften

1. BM Bereschit 23:1-25:1

Elieser, der Knecht und Vertraute Awrahams, steht vor der schwierigen Aufgabe, die geeignete Frau für den Sohn seines Herrn zu finden. Er wendet sich an G-tt und bittet Ihn um folgende Gunsterweisung für Awraham:

Das Mädchen, zu dem ich sprechen werde. Neige doch deinen Krug, dass ich trinke und die sagen wird: trinke, und auch deine Kamele will ich tränken, sie hast Du bestimmt für Deinen Knecht, für Jizchak, und daran erkenne ich, dass Du Liebe tust an meinem Herrn.

Ber. 24, 14

Welche Beweggründe stehen hinter diesem Anliegen des Knechtes? Benno Jacob analysiert sein Vorgehen vortrefflich:

Die Bitte des Knechtes ist also feiner und bedeutungsvoller, als man gewöhnlich annimmt. Sie ist eine Probe auf Riwkas gute, häusliche Erziehung zu Respekt vor dem Alter. Aber dieses Verlangen allein wäre noch eine zu schwache Probe. Die Freudigkeit tätiger Dienstwilligkeit zeigt sich darin, dass sie fragt, ob sie nicht noch mehr tun könne und sich unaufgefordert nach Gelegenheit dazu umsieht. Dafür bieten sich hier, wie mit unübertrefflicher Natürlichkeit dargestellt wird, die Kamele des Mannes, die neben ihm und bei den Trögen stehen. Kommt das Mädchen unaufgefordert darauf, auch sie tränken zu wollen, dann ist sie die die von G-tt für Jizchak bestimmte: Sie ist wohlerzogen, guttätig, umsichtig und hat ein Herz selbst für das Tier.

Die von Elieser geforderten Eigenschaften hält der Talmud als charakteristisch für das jüdische Volk fest:

Durch drei Eigenschaften ist dieses Volk gekennzeichnet: sie sind barmherzig, schamhaft und mildtätig.

Jewamot 79a

Mildtätigkeit “Gemilut Chesed” nimmt in der Tat einen zentralen Platz in der jüdischen Ethik ein und ist der Wohltätigkeit – “Zedaka” – in dreierlei Hinsicht überlegen (Sukka 49b).

“Zedaka” gewährt man gewöhnlich dem Armen durch finanzielle Unterstützung. “Gemilut Chesed” kann auch durch körperlichen Einsatz erfolgen, z.B. in Form eines Krankenbesuchs. Sie kommt den Armen und Reichen zugute, und sie reicht über den Tod hinaus – sich um ein Begräbnis kümmern, ist eine der grössten Mizwot und wahrer “Gemilut Chesed”, für den kein Dank erfolgen kann.

Doch nicht nur der Knecht Awrahams wird versorgt, eine Schlafstätte ihm angeboten, Riwka tränkt auch selbst die zehn Kamele,

keine geringe Arbeit, denn ein Kamel kann viel vertragen, so dass sie wieder und wieder schöpfen Und dies tut sie hurtig und eifrig.

Benno Jacob

Barmherzigkeit – “Rachamim” – auch den Tieren gegenüber ist eine selbstverständliche Pflicht des jüdischen Menschen. Sehr viele Gebote und Verbote der Tora zeigen uns deutlich, dass die Tora eine umsichtige und liebevolle Behandlung der Tiere forderte, drei Jahrtausende bevor der erste Tierschutzverein in Erscheinung trat. Charakteristisch für die Einstellung unserer Weisen ist folgende Episode, welche uns der Talmud berichtet:

Die Leiden von Rabbi Jehuda Hanassi (Redaktor der Mischna) kamen infolge eines Ereignisses über ihn und infolge eines Ereignisses wichen sie von ihm. Ein Kälbchen, das zur Schlachtbank geführt wurde, riss sich los und schmiegte sich angstvoll schreiend an den Schoss von Rabbi. Doch dieser rief: Fort! Denn dazu wurdest du geschaffen. Da rief man vom Himmel: Weil er kein Erbarmen hat, sollen Leiden über ihn kommen. Und durch ein Ereignis wichen sie von ihm. Einst säuberte die Magd das Haus und stiess dabei auf junge Mäuse. Sie wollte sie wegfegen. Da rief Rabbi: Lass sie! Denn es steht geschrieben: ‘Sein Erbarmen ist über alle Seine Geschöpfe’ (Tehilim 145, 9). Da verkündete man vom Himmel: Weil er Erbarmen hat, wollen wir uns seiner erbarmen.

Bawa Mezia 85a

Schamhaftigkeit -“Baischanut” – ihr begegnen wir ebenalls in dieser Parascha. Als Riwka auf dem Weg zum Haus Awrahams ihrem zukünftigen Ehemann begegnet, da nimmt die einen Schleier und bedeckt sich (Ber. 24, 65). Dieser Akt lebt noch heute bei uns als das unmittelbar vor der Trauung stattfindende “Bedecken” der Braut fort. Lassen wir nochmals Benno Jacob das Fazit dieser Brautwerbung ziehen:

Während also die Begegnung mit dem Knecht Riwkas tätige und liebreiche Art ins Licht stellt, zeigt die Begegnung mit Jizchak ihr züchtiges Wesen.

Schabbat Schalom!

https://www.talmud.de/tlmd/die-torah-eine-deutsche-uebersetzung/die-torah-Chaje-Sarah/