Parascha Pinchas

Juden beten in der Synagoge an Yom Kippur, Maurycy Gottlieb, Tel Aviv Museum of Art, Wikimedia

Von Rabbiner Dr. S. Almekias-Siegl

Land und Opfer

4. BM Bamidbar 25:10 – 30:1

Und sprich zu ihnen: Dies ist das Feueropfer, das ihr dem Ewigen darzubringen habt; einjährige Schafe ohne Fehler, zwei an jedem Tag als beständiges Ganzopfer. Das eine Schaf sollst du morgens opfern und das andere Schaf sollst du gegen Abend opfern

Bam. 28, 3-4

Was bedeuten uns diese Vorschriften heute, fast zweitausend Jahre nachdem der tägliche Opferdienst im Tempel aufgehört hat?

Maimonides analysiert in seinem religionsphilosophischen Werk “More Newuchim” (Führer der Verirrten) den Hintergrund der Opfergesetze und kommt zu dem Schluss, dass das tägliche Gebet bis zur messianischen Zeit die Opfer abgelöst hat (3. Buch, Kap. 32). Im Gebet versuchen wir zu G-tt und zu uns selbst zu finden.

S.R. Hirsch sieht in den obigen Worten wichtige Hinweise für unsere Beziehung zu G-tt. Das Alter der Opfertiere soll uns daran erinnern, dass wir in unserer Beziehung zu G-tt immer jung, immer in jugendlicher Frische bleiben sollen.

Jede Hingebung sollen wir in der “Ganzheit” unseres Wesens vollziehen, den Tages- und Nachtwechsel sowie “den ganzen Wechsel des steigenden und sinkenden irdischen Daseins als das einheitliche Werk und Wirken des Einen Einzigen begreifen” (Israels Gebete, Kommentar zum Siddur). Tage der Freude oder Tage der Schwermut, an allen sollen wir uns bewusst bleiben, von wem wir unser Leben bekommen haben und in wessen Dienst wir es stellen sollen – “Ola Tamid”, stets gilt es emporzusteigen und sich nicht unterkriegen zu lassen.

Der chassidische Gelehrte Rabbi Jisrael von Rusin verbindet das Wort “tamid” mit zwei anderen Stellen im Tenach:

Ich habe G-tt mir stets (‘tamid’) gegenübergestellt

Teh. 16, 8

und

Mein Fehler ist mir stets (‘tamid’) gegenwärtig

Teh. 51, 5

Dies sind die zwei Einsichten, die G-tt jederzeit von uns verlangt, und die wir Ihm täglich als “Opfer” widmen sollen.

Der Wochenabschnitt Pinchas wird stets in den drei Wochen gelesen, die den 17. Tamus, den Tag der Zerstörung der Stadt Jeruschalajim und des Sistierens des täglichen Opferdienstes vom 9. Aw trennen, dem Tag der zweimaligen Tempelzerstörung.

In unserer Parascha ist auch von den Vorschriften die Rede, wie Erez Jisrel unter den zwölf Stämmen aufgeteilt werden soll (Bam. 26, 52-65). Rabbi Zwi Elimelech von Dynow sieht darin keinen Zufall. In seinem Werk “Bne Jissachar” betont er, dass die Tora dem jüdischen Volk während der drei schweren Wochen (“Ben Hamezarim”) Trost zuspricht. 

Indem gerade diese Kapitel zur Vorlesung kommen, gab das jüdische Volk während des langen Galuts seiner Zuversicht Ausdruck, dass einst die Zeit der Rückkehr nach Erez Jisrael und des Wiederaufbaus des Tempels kommen werde.

Einen ähnlichen Gedanken formuliert der Sfat Emet, indem er auf eine Formulierung zu Beginn der Opfergesetzgebung aufmerksam macht:

Meine Opfergabe … sollt ihr wahren, dass ihr Mir sie zur rechten Zeit darbringet

Bam. 28, 2

Die Tora verwendet das Wort “Lischmor”, welches neben Bewahren auch die Bedeutung von Hoffen haben kann. Die Tora erwartet gleichsam von uns, dass wir auch in Zeiten des Exils die Hoffnung auf Rückkehr zur Normalität nicht aufgeben. Wobei Normalität die Existenz eines voll funktionierenden Staatswesens nach den Gesetzen der Tora bedeutet.

Unsere Weisen haben einen weiteren Zusammenhang zwischen der Besitznahme von Erez Jisrael und dem täglichen Opferdienst gesehen. Als G-tt mit Awraham einen Bund schliesst und ihm Erez Jisrael als Land für seine Nachkommen verspricht, stellt ihm Awraham die Frage:

Herr, Ewiger, woran mag ich wissen, dass ich es besitzen werde?

Ber. 15. 9

Worauf ihm G-tt antwortet:

Nimm Mir drei Kälber, drei Ziegen, drei Widder und eine Turteltaube und eine junge Taube…

Raschi versteht dies dahingehend, dass Awraham G-tt nicht um ein Zeichen bat, sondern wissen wollte, durch welchen Verdienst seinerseits das g-ttliche Versprechen sich erfüllen sollte. Worauf ihm G-tt die Opfer als die Mizwa vorführte, welche die Existenz des jüdischen Volkes in seinem Lande garantieren würde.

Erez Jisrael ist ein Geschenk G-ttes an das jüdische Volk, welches durch das tägliche Gebet, durch das tägliche Sichbewusstwerden, wem wir alles verdanken, immer wieder aufs neue gesichert werden will.

Schabbat Schalom!

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