Kurze Geschichte des jüdischen Lebens in Bamberg

Bild: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge Bamberg, (c) TU Darmstadt Fachgebiet Digitales Gestalten

Ein Beitrag von Andreas Kirchhof zum Gedenkjahr “1700 Jahre Jahre Jüdinnen und Juden auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands”

Das vergangene Jahr 2021 stand im Zeichen des Gedenkens “1700 Jahre Jahre Jüdinnen und Juden auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands”, da die Juden in diesem Gebiet erstmalig in einem Edikt des römischen Kaisers Konstantin vom 11. Dezember 321 erwähnt wurden. Der Kaiser bestimmte darin, dass auch jüdische Bürger in den Rat der Stadt Köln aufgenommen werden können.

Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg, Martin Arieh Rudolph, vermutet im Gespräch mit dem Heinrichsblatt, dass seit rund 1000 Jahren in Bamberg Juden ansässig sind. Die jüdische Gemeinde gebe es seit rund 800 Jahren.

Wann genau sich sich hier niedergelassen haben, ist unklar, da die Quellenaussagen hierzu unterschiedlich präzise und unterschiedlich glaubhaft sind. Sicher ist, dass in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ein spanischer Jude, Benjamin von Tudela, in einer Liste der jüdischen Gemeinden im Reich auch Bamberg aufzählt. Höchstwahrscheinlich gab es aber schon eine Niederlassung jüdischer Händler bald nach der Bistumsgründung. So wird es in dem Buch “Jüdisches Leben in Bamberg”, das zu einer entsprechenden Ausstellung in der Villa Dessauer 2013/14 von Dr. Regina Hanemann herausgegeben wurde, berichtet. Aus diesem Buch stammen auch die hier verwendeten Daten.

Belegt ist, dass 1400 der Bamberger Fürstbischof für die Juden in seiner Residenzstadt einen Schutzbrief ausstellte. Um 1478 wurden sie aber schon wieder aus dem Hochstift Bamberg hinaus gedrängt. So war das Leben der Juden auch hier immer unsicher. Die Reichen waren bei den Herrschern als Geldgeber gut angesehen, aber die meisten waren eher arm. Da sie in der Regel keinen Grund erwerben durften, verlegten sich viele Juden auf den Handel. In Bamberg war vor allem der Hopfenhandel sehr lukrativ, in den umliegenden Dörfern wurde viel Viehhandel betrieben und es gab eine Unzahl von Hausierern.

“Zu den großen und kleinen und kleinsten Händlern kamen zahlreiche Juden, die durch das Land zogen und von der Gastfreundschaft ihrer Glaubensgenossen zehrten… Die Zahl der besitzlos umherziehenden Juden muss ungeheuer gewesen sei”, ist in dem Buch zu lesen.

Im Rahmen des Säkularisation wurde in Bayern am 10. Juni 1813 das “Judenedikt” erlassen. Darin wurde vorgeschrieben, dass die Juden einen festen Familiennamen anzunehmen hatten. Weiterhin mussten die Polizeibehörden “Juden-Matrikeln” anlegen, in denen sich jede jüdische Familie mit neuem Namen einzutragen hatte. Dadurch sollte die Zahl der Juden am jeweiligen Ort festgeschrieben werden. In der Regel durften keine neuen Familien hinzuziehen. Nur denjenigen wurde eine zusätzliche Matrikelstelle gewährt, die einen erwünschten Beruf hatten. Diese Einschränkung der Niederlassungsfreiheit blieb bis 1861 in Kraft. Erst dann hatten die Juden in Bayern – und so auch in Bamberg – dieselbe Freizügigkeit wie Christen. Nun durften sie Grundbesitz erwerben und Handwerksberufe ergreifen. Handel durfte betreiben, wer das nötige Kapital besaß und seine Bücher in deutscher Sprache führte. Hausieren und Kleinhandel wurde ihnen aber grundsätzlich verboten.

In Bamberg wird ein ein eigentliches “Judenviertel” (“Vicus Judaecorum zu Babenberg”) erstmals 1363 erwähnt. Dessen Zentrum war eine Synagoge in der Judenstraße. Das rituelle Bad, die Mikwe, wird im Keller der ehemaligen Löwenapotheke (Lugbank) vermutet. Die Synagoge muss diesen Ort in den 1420er Jahren gewechselt haben, da das Gebäude 1428 als Marienkapelle erwähnt wird.

Bischof Friedrich III. von Aufseß (1421-1431) wollte an der Stelle des Judenviertels Domvikare und weiter bischöfliche Bedienstete mit Wohnraum versorgen. Dieses Verdrängen der Juden ist aber nicht nur mit der antijüdischen Grundhaltung der Zeit zu erklären, es ist auch Teil eines “stadtstrukturellen Segregationsprozesses”, der auch nichtjüdische Bürger betraf. Die Machtposition des Domkapitels sollte ausgeweitet werden. Dabei mussten hierarchisch geringer wertige Funktionen aus dem Dombergareal weichen und wurden zu Füßen des Domberges in Sand und Bach verlagert. So sind 1445 in der heutigen Hellerstraße ein neuer Betraum und eine Mikwe belegt. 1491 vertrieb Bischof Heinrich Groß von Trockau die Juden aus Bamberg. Erst um 1560 herum ist in der heutigen Generalsgasse 15 die dritte Synagoge Bambergs belegt. Sie war zuerst von der jüdischen Gemeinde nur angemietet worden.

Nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges gab es 1737 wieder 25 jüdische Wohnhäuser mit 60 Haushalten und 380 Einwohnern. 1852 waren es schon 110 Gemeindemitglieder und ein Jahr später wurde eine neue Synagoge gebaut – auch noch im Hinterhof der Generalsgasse. Nach der Säkularisation zogen die fränkischen Landjuden zahlreich nach Bamberg, um dort Handels- und Gewerbeunternehmen zun gründen.Dabei waren sie Pioniere der Stadterweiterung – entscheidend war hierbei der Hopfenhandel. 1880 lebten 1870 Juden in Bamberg und machten 4,5 Prozent der Stadtbevölkerung aus.

1910 baute die jüdische Gemeinde eine neue, repräsentative Synagoge an der Ecke Herzog-Max-Straße/Urbanstraße. Als Zeichen des Integration war sie nicht mehr in einem Hinterhof, sondern ein eindrucksvolles sichtbares Gebäude. Bis 1933 war die jüdische Bevölkerung auf rund 1000 Menschen angestiegen. Sie engagierten sich auch sozial. Ein hoher Anteil der Bamberger Wohltätigkeits- und Ausbildungsstiftungen waren von jüdischen Bambergern gegründet worden. 1929 war das jede fünfte der 104 Einzelstiftungen. Davon profitierten sowohl katholische, als auch protestantische und jüdische Bedürftige.

In der schrecklichen Zeit des “Dritten Reiches” wurde die Synagoge am 10.November 1938 von SA-Einheiten in der Reichspogromnacht, die sie wegen der vielen zertrümmerten Fensterscheiben zynisch “Reichskristallnacht” nannten, angezündet und sie brannte aus Vom THW wurde sie gesprengt und von den Juden Geld als “Entschädigung” verlangt.

Schon in der Kaiserzeit hatte der völkische Nationalismus in Deutschland und auch in Bamberg Fuß gefasst. Jetzt wurde nicht die Religionszugehörigkeit beachtet, sondern die konfus erklärte und definierte “rassische Abstammung”. So wurde zum Beispiel im September 1914 ein Bamberger Ortsverband des “Alldeutschen Verbandes “, der eine wichtige Rolle im Netzwerk rechtsextremistischer Organisationen von 1890 bis weit in das 20.Jahrhundert spielte, gegründet. Getragen wurde die neue Ideologie im Kaiserreich von ein radikalisierten bürgerlichen jüngeren Generation, die sich an der Zufriedenheit des Wilhelminismus störte und eine Krise der Kultur und Nation sah., In der Weimarer Republik entstand dann eine “neue konservativ-revolutionäre Variante, der Nationalismus einer jungen Generation”, die die Republik und das “System” grundsätzlich bekämpfte. Antismeitismus und Republikfeindlichkeit wurden zusammen propagiert. Ende 1919 wurde eine Ortsgruppe des radikal antisemitischen “Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes ” gegründet. Einer der Höhepunkte völkisch-nationalistischen Treibens waren die “Deutschen Tage” im Herbst 1923, zu denen auch Hitler nach Bamberg kam. Im Februar 1925 wurde die Bamberger NSDAP-Ortsgruppe wiedergegründet (nachdem die Partei vorübergehend verboten war).

Als dann die Nazis an der Macht waren, wurden die Juden ausgeplündert. Nach der 11. Verordnung des Reichsbürgergesetzes vom 25. November 1941 fiel das Vermögen der Juden, die die deutsche Reichsgrenze überschritten – auch durch Deportation -, automatisch an den deutschen Staat. Zwei Tage nach Erlass dieser Verordnung wurden 121 Juden aus Bamberg verschleppt und deren Vermögen enteignet. Für das Verwerten war das Finanzamt zuständig. Das kommunale Vermögensamt hatte aber keine grundsätzliche Bedenken, wenn Wohnungen verkauft wurden, in denen die jüdischen Bewohner noch lebten. Ihre Deportation und Ermordung wurde als sebstverständlich angesehnen.
Bald kam es auch zu einem Streit zwischen dem NS-Oberbürgermeister Lorenz Zahneisen und dem Fianzamt, wer die so gberaubten Waren nutzen konnte. Die Stadt gewann den “Wettstreit”. Aber beim Zuteilen der so “gewonnen” Möbel und anderen Wertgegenstände wurden zum Beispiel zuerst die Beamten des Finanzamtes, dann andere Behörden und erst an dritter Stelle die ausgebombten Bürger, für die diese Möbel nach der Propaganda dienen sollten, bedacht. Weiterhin wurden viele Betriebe für Privatpersonen “arisiert”.

Nach zwölf Jahren “Drittes Reich” und dem II. Weltkrieg erlebten nur eine Handvoll jüdischer Bamberger, die zumeist mit einem christlichen Partner verheiratet waren, die Befreiung vom Nationalsozialismus. Von über 800 Juden, die zu Beginn der 1930er Jahre in der Domstadt lebten, hatten sich rund die Hälfte in die Emigration retten können. Die anderen wurden ab 1941, seit Kriegsbeginn, in die Konzentrations-.und Vernichtungslager verschleppt.

Doch nach dem Krieg lebten bis zu 2700 Juden in Bamberg, das sich für ein paare Jahre zu einem geistigen und kulturellen jüdischen Zentrums für Franken entwickelt hatte. Hier machten viele auf dem Weg nach Israel Station.Viele waren aus Osteuropa gekommen, von wo sie wegen dortiger antisemitischer Übergriffe nach dem Krieg in die deutsche US-Zone geflüchtet waren. In dieser Zeit gehörten zum Beispiel die jüdischen Fußballer zu den Gründungsmitgliedern der fränkischen Regionalliga.

Die meisten zogen zogen nach Israel weiter und nur 40 blieben in Bamberg zurück, die den Kern der neuen Gemeinde bildeten. Diese hatten zuerst in dem Anwesen Promenade 4 einen Betsaal, aber sie zogen 1963 in die Stadtvilla der Willy-Lessing-Straße 7, das Kontorhaus der seinerzeit “arisierten” Nähseidenfabrik Kufer, Mohrenwitz & Hesslein, die Ende der 1960er Jahre in Konkurs ging. 1990 kamen dann die “Kontingentflüchtlinge” aus dem ehemaligen “Ostblock” nach Bamberg und die Israelitische Kultusgemeinde stieg auf rund 950 Mitglieder an, so dass eine neue Synagoge nötig wurde. Platz dafür war in der ehemaligen Nähseidenfabrik im Hinterhof der Willy-Lessing-Straße 7. In der zum modernen Multifunktionsbau umgestaltetet ehemaligen Fabrik befindet sich nun nicht nur die Synagoge, sondern auch eine Bibliothek, Verwaltungsräume, Gemeindesaal und eine durch Regenwasser gespeiste Mikwe. Der Freistaat Bayern, die Stadt Bamberg und weitere Spender trugen zusammen mit der jüdischen Gemeinde die Baukosten von knapp drei Millionen Euro. Wie Rudolph berichtet, hat die Kultusgemeinde jetzt rund 660 Mitglieder.

Seit 1880 gibt es in Bamberg auch einen jüdischen Friedhof mit Taharah-Halle, einer Aussegnungshalle. Belegt ist, dass es seit 1857 einen Friedhof gab. Einen Vorgänger am Abtsberg hatte der damalige Bischof, der alle Juden aus der Stadt verwiesen hatte, 1478 zerstören lassen. Sehr geschichtsträchtig ist der neue Friedhof, da die Verstorbenen dort ein ewiges Ruherecht bis zum Jüngsten Tag haben und so auf den Grabsteinen die eingravierten Namen und Lebensdaten erhalten bleiben. während sonst viele Personalakten verloren gegangen sind. Blumen oder ähnliches werden nicht auf die Gräber gelegt, sondern kleine Steinchen zum Zeichen des Grabbesuches.

Im Gespräch mit dem Heinrichsblatt bedauerte der Vorsitzende der Kultusgemeinde, dass im vergangenen Gedenkjahr leider wegen der Corona-Pandemie die Feste nicht so gefeiert werden konnten, wie man es gerne getan hätte. Dafür könne die Gemeinde zuversichtlich sein, dass in diesem Jahr der Friedhof ein Stück erweitert werden kann.

Wir veröffentlichen den Text, zuerst erschienen im Heinrichsblatt, mit freundlicher Genehmigung des Autors Andreas Kirchhof M.A.