Parascha Mezora

Bildquelle: Mischne Tora (Maimonides), National Library of Israel, Wikimedia

Von Rabbiner Dr. S. Almekias-Siegl

Zwei Seiten einer Medaille

BM Mezora 14:1-15:33

Im vorangehenden Wochenabschnitt war vom Aussatz die Rede, welcher Menschen und Kleider als Zeichen g-ttlicher Mahnung und Strafe befallen kann:

Ein Mensch, wenn an der Haut seines Fleisches eine Geschwulst entsteht … und sich zum Ausschlag des Aussatzes gestaltet

Waj. 13, 2

sowie

und ein Kleid, wenn an ihm der Ausschlag des Aussatzes entsteht …

Waj. 13, 47

In dieser Parascha lernen wir auch die Möglichkeit kennen, dass ein Haus von diesem Aussatz betroffen sein kann (“Nega Habajit”). Während die Tora das Auftreten des Ausschlages am Menschen und seiner Kleidung als Möglichkeit formuliert, wählt sie hier einen Ausdruck, der das Zukünftige als gewiss erscheinen lässt:

Wenn ihr in das Land Kenaan kommt, das Ich euch zum Besitze gebe, und Ich den Ausschlag des Aussatzes über ein Haus in dem Lande eures Besitzes verhänge, so komme der …

Waj. 14, 33

Die Tora geht also davon aus, dass dieser Ausschlag mit Sicherheit an bestimmten Häusern auftreten wird. Dies hat unsere Weisen zu einer besonderen Interpretation veranlasst, welche Raschi zur Stelle zitiert. Als die Ureinwohner des Landes von der bevorstehenden Ankunft des jüdischen Volkes hörten, versteckten sie ihre Schätze und Wertgegenstände hinter den Mauern ihrer Häuser, bevor sie gegen Am Jisrael in den Kampf zogen.

Indem G-tt nach der Eroberung des Landes die Häuser der Ureinwohner mit dem Ausschlag kennzeichnete, mussten diese den Vorschriften der Tora gemäss abgerissen werden (Waj. 14, 45), wobei die Schätze zum Vorschein kamen.

Einen Hinweis auf diesen Midrasch können wir im Sefer Dewarim finden, wo es heisst:

Und es wird geschehen, wenn dich der Ewige, dein G-tt, in das Land bringen wird, das Er deinen Vätern, Awraham, Jizchak und Jakow geschworen, dir zu geben, – grosse und schöne Städte, die du nicht errichtet und Häuser voll des Guten, die du nicht gefüllt…

Dew. 6, 10-11

Es heisst nicht, “die du nicht gebaut”, weil man nach dem Abriss des Hauses gerade die “Füllung”, die Schätze fand. Damit wäre aber der Aussatz an einem Haus gleichsam eine Belohnung für dessen Besitzer, was im Widerspruch zu der Meinung unserer Talmudgelehrten steht, die Aussatz nicht als Naturphänomen, sondern als g-ttliche Strafe unter anderem für zwei Sünden verstehen (Arachin 16a):

Einmal für Missgunst (“Zarut Ajin”), wenn ein Mensch nicht bereit ist, seinem Nachbarn mit Gegenständen des Alltagslebens auszuhelfen, sie ihm leihweise zur Verfügung zu stellen. Da offenbart der Abriss des Hauses, was ihm eigentlich alles gehört und was er nicht mit seinem Nächsten zu teilen bereit war. Andererseits ist der Aussatz am Haus eine Strafe für das Vergehen des Diebstahls. Auch hier werden die “geheimen” und nicht ehrlich erworbenen Gegenstände für alle sichtbar offengelegt (Waj. 14, 35-36).

In der Reihenfolge, in welcher der Aussatz auftritt, zeigt sich “Midat Rachamim”, das Erbarmen G-ttes. Die erste Warnung trifft das Haus, dann die Bekleidung, schliesslich den Menschen selber. Wie bei einer Zwiebel werden die Schutzhüllen nach und nach abgestreift. Wenn der Übeltäter nach der ersten Warnung, die sein Haus getroffen hat, seine Vergehen bereut, gibt G-tt ihm in Seiner Güte eine neue Chance. Er bekommt sogar noch mehr “Schätze” als früher zur Verfügung gestellt, um mit ihnen Gutes zu tun. Nicht nur die verborgenen Reichtümer des Hauses, vielmehr das in jedem Menschen vorhandene gute Potential, seine “inneren Schätze” werden somit entdeckt (Rabbi Jisrael Alter von Ger, in seinem Kommentar Bet Jisrael).

Diese Lehre des “Nega Habajit” war nicht nur zur biblischen Zeit von Bedeutung, sie gilt auch für uns. Auch unsere Häuser sind in der Regel G-tt sei Dank voll des Guten. Wir leben noch immer in einer Wohlstandsgesellschaft. Die Tora fordert uns auf, die Schätze, die uns G-tt zur Verfügung stellt, richtig zu verwenden, ohne Missgunst und Neid, in Mitverantwortung für den sozial schwächer Gestellten.

Schabbat Schalom!

https://www.talmud.de/tlmd/die-torah-eine-deutsche-uebersetzung/die-torah-Metzora/